Lexikon der Sabotage, Teil 4tun & lassen

Ein kleiner Triumph über die Pharmaindustrie

Aktionswoche. Ein Computerfachmann berichtet

Einmal arbeitete ich kurzfristig für eine bekannte Computerfirma. Wir waren ein Team von zehn Leuten und hatten den Auftrag, für eine heimische Supermarktkette Kassen aus Südkorea umzubauen, 500 Stück. Wir arbeiteten in einem riesigen Lager, vollkommen ohne Aufsicht, eine ganz eigenständige Partie.

Das Erste, was uns unter diesen Gegebenheiten einfiel, war natürlich das betrügerische Stundenschinden. Also machten wir drei Stunden Mittagspause statt einer, dann einmal drei Stunden gar nichts, weil ab 17 Uhr kriegten wir doppelt bezahlt. Meistens blieben wir bis 22 Uhr. Am Abend war außer uns kein Mensch da.

Wir hatten eine riesige Lagerhalle zum Spielen zur Verfügung, ganz für uns allein. Wir fuhren mit den Hubstaplern um die Wette, hoben uns gegenseitig auf Regale hinauf oder balancierten auf diesen riesigen, zwei Meter hohen Papierrollen, aus denen sie dann die Kassenrollen schneiden, durch die Halle, zirkusmäßig. Solche Sachen konnten wir stundenlang machen.

Eines Tages entdeckte ein Lagerarbeiter eine Maus. Und die vier, fünf Lagerarbeiter, die da noch arbeiteten und immer mit irgendetwas herumjonglierten, waren auf einmal ganz aufgeregt. Weil Mäuse sind anscheinend eine wirkliche Bedrohung für ein Lager, auch wenn da nur Computer zur Reparatur gelagert sind. Was tun in so einem Fall? In der nächsten Mittagspause kaufte ich 500 Gramm Emmentaler. Den verteilte ich dann am Abend vor dem Nachhausegehen in kleinen Häppchen unter allen Lagerregalen.

Eine Woche lang machte ich das. Wir erstickten in Mäusen. Die Lagerarbeiter erlegten die Mäuse manchmal, indem sie einfach drauf stiegen, so dicht wuselten sie nach meiner Käse-Aktionswoche in der Halle herum.

Luxusurlaube. Eine Pharmavertreterin berichtet

Ich arbeitete viele Jahre als Pharmareferentin. Es war eine Notlösung, nachdem ich im Medizinstudium zweimal bei der Anatomie-Prüfung gescheitert war. Als ich anfing, hatte ich eine recht positive Haltung zur Pharmaindustrie: Ich meinte, die guten Seiten würden die schlechten bei weitem aufwiegen. Doch bald schon merkte ich, dass es umgekehrt war: Diese Industrie engagierte sich nicht für die Gesundheit der Menschen, sondern war ausschließlich am eigenen Profit interessiert.

Das ganze Gerede von Ethik und wie wichtig die Forschung denn sei, war eine einzige Augenauswischerei. Es ging nicht darum, Kranken zu helfen, sondern darum, möglichst teure Produkte möglichst oft zu verkaufen. Diverse Fettsenker zum Beispiel. An solchen Blockbustern wurde geforscht. Für Krankheiten in armen Ländern oder mit wenigen Patienten verschwendete man nicht einmal einen Gedanken. Und für Marketing wurde letztendlich weit mehr ausgegeben als für die Forschung.

Ich arbeitete also als Pharmareferentin und konsultierte Spitäler genauso wie Arztpraxen. Pro Tag absolvierte ich bis zu fünfzehn Besuche. Ich verdiente gut und hasste meine Arbeitgeber. Mit ersterem hatte ich kein Problem. Aber was konnte ich gegen die Pharmaindustrie tun? Die Dritte Welt mit lebensnotwendigen Medikamenten zu versorgen, stand nicht in meiner Macht. Ich konnte zumindest meine Wut besänftigen, indem ich ein wenig Umverteilung betrieb. Es gab einige Patientengruppen, denen die Krankenkassen die Kosten für sehr teure Medikamente nicht oder nur zu einem geringen Teil ersetzten. Ich bekam jede Menge Ärztemuster und gab die teuren vor allem an Ärzte ab, von denen ich wusste, dass sie arme Patienten behandelten. Ich nahm das praktisch vom Kontingent für die Nobelärzte und Spitäler.

Meine Hauptumverteilung betraf aber die Gratisreisen. Es ist mittlerweile bekannt, dass Pharmafirmen die Ärzte häufig zu Seminaren einladen. Die finden dann interessanterweise in einem Luxushotel auf Kreta oder Hawaii, in Dubai oder in der Karibik statt. Natürlich mit Frau und Kindern, zu einer symbolischen Selbstbeteiligung von 100 Euro. Die eigentliche Informationsveranstaltung für das neue Medikament dauert dann zwei, drei Stunden und ist eher eine Art Gehirnwäsche als ein Seminar. Aber das Wichtige: Für eine symbolische Verlängerungsgebühr von 100 Euro kann der Arzt und seine Familie noch eine Woche Vollpension dranhängen und kommt so für 200 Euro zu einem tollen 10.000-Euro-Urlaub.

Nun wusste ich, dass die werten Primarärzte und Oberärzte für solche Reise ohnedies keine Zeit hatten, also belästigte ich sie erst gar nicht mit den Einladungen, sondern trug einfach andere Namen auf die Reiselisten und Fluglisten. Für Oberarzt sowieso, in Vertretung sowieso. So schickte ich jahrelang Bekannte, die es brauchen konnten und Familien, die mir befreundete Ärzte ans Herz legten, auf allerbilligste Luxusurlaube. Da waren Leute dabei, die sich sonst überhaupt keinen Urlaub leisten konnten.