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Leerstandsmobilisierung: Wachsende Bevölkerung und steigende Mieten haben eine bundesweite Diskussion darüber ausgelöst, was mit leerstehenden Wohnungen zu tun sei. Jetzt hat das Finanzministerium eine Entscheidung getroffen.
TEXT: LUKAS MAYR
ILLUSTRATION: MUCH
Wenn es am Abend dunkel wird, flackert in den Fenstern der Wiener Hausfassaden Licht auf. Doch hinter manchen Fenstern, die dunkel bleiben, ist nicht nur gerade niemand daheim. Die Wohnungen hinter diesen Fenstern stehen vielmehr leer. Einige Vermieter:innen halten diese Wohnungen als Spekulationsobjekte bewusst frei. Dadurch entstehen verschiedene Problematiken, wie Platzmangel und steigende Mietpreise.
Leerstand kurz oder lang.
Bei einem Leerstand wird zwischen einem langfristigen und einem kurzfristigen unterschieden. So wird von einem langfristigen Leerstand gesprochen, wenn die Wohnung mehr als zwei Jahre leer steht. Kurzfristige Leerstände sind meistens Übergangssituationen, die durch einen Mieter:innenwechsel entstehen. Wie viele leerstehende Wohnungen es 2022 in Wien genau gibt, kann nicht gesagt werden. Zuletzt wurde hier 2015 von der Stadt Wien eine Erhebung durchgeführt. Damals standen 10.000 Wohnungen langfristig und 25.000 kurzfristig leer. Der Wohnungsmarkt in Wien besteht aus drei verschiedenen Komponenten. So gibt es einerseits den gemeinnützigen Wohnbau und die Gemeindewohnungen, die beide von der Stadt Wien gefördert werden, und andererseits den privaten Sektor. Nur in diesem Sektor kommt es zu einem langfristigen Leerstand. «Im Privaten kann es zu Leerständen kommen, da Vermietende Wohnungen nehmen, um so Vermögen anzulegen», erklärt Stephan Grundei, Mediensprecher von Vizebürgermeisterin und Stadträtin für Wohnen, Wohnbau, Stadterneuerung und Frauen, Kathrin Gaál. Laut Grundei erfahren Renditen, die durch Vermietung entstehen, durch die aktuellen Preissprünge bei Wohnimmobilien eine Wertminderung. Die durch den Leerstand entstehende Wertanlage ist also der Grund, warum viele Vermietende so agieren.
Um gegen dieses Problem vorzugehen, wird von vielen eine Leerstandsmobilisierung gefordert. Dies bedeutet, dass Vermietende, die leerstehende Wohnungen besitzen, gewisse finanzielle Abgaben leisten müssen. Laut Christian Bartok, Bereichsleiter der MieterHilfe Wien, ist eine echte Leerstandsmobilisierung zu begrüßen. «Diese muss jedoch so spürbar hoch sein und so gut geregelt sein, dass sie Wohnungen schneller auf den Wohnungsmarkt bringt.» Er meint, dass ab Einführung einer solchen Mobilisierung vor allem Wohnungssuchende profitieren würden. Durch das Gesetz könnten nämlich mehr Wohnungen auf den Markt kommen. «Ob dies dann tatsächlich so ist, kann heute nicht sicher gesagt werden», erklärt Bartok.
Rechtliche Umsetzung.
Das Einführen einer solchen Leerstandmobilisierung steht schon seit längerer Zeit im Raum. Doch rechtlich und finanziell sind hier die Länder an ein VfGH-Urteil aus den 1980er-Jahren gebunden. Schon damals hatte Wien eine Abgabe für leerstehende Wohnungen eingeführt. Dieses Gesetz wurde durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben: Laut diesem hatte Wien hier seine gesetzgeberischen Kompetenzen überschritten. Dies ist nämlich eine Entscheidung, die vom Bund und nicht vom Land gefällt werden muss. Deswegen liegt es an der Bundesregierung, hier eine Änderung herbeizuführen.
Im Regierungsabkommen ist die Umsetzung einer solchen Leerstandsmobilisierung als Programmpunkt festgeschrieben. Als im Herbst 2021 die Wiener SPÖ erneut eine Debatte darüber startete, kam von den Regierenden keine Antwort. Vor Kurzem hat sich das Finanzministerium gegen eine Leerstandsmobilisierung entschieden. Es wird argumentiert, dass durch dieses Gesetz nicht automatisch mehr Wohnungen auf den Markt kommen würden.
Die Grünen lieferten nach diesem Entschluss des Finanzministeriums einen neuen Vorschlag. So sieht dieser vor, dass für Wohnungen, die länger als sechs Monate pro Jahr leer stehen, eine Abgabe in Höhe von zwei Dritteln des Richtwertmietzinses pro Quadratmeter zu leisten sind. Das wären für eine 50-Quadratmeter-Wohnung 205 Euro pro Monat. Der Vorschlag sieht eine Meldepflicht für alle leerstehenden Wohnungen durch die Inhaber:innen selbst vor. «Das Problem ist, dass dies vor dem Verfassungsgerichtshof nicht halten würde, weil die finanziellen Abgaben zu hoch sind», meint Stephan Grundei.
Ob und wie genau eine Leerstandsmobilisierung umgesetzt wird, ist also noch ungewiss. Grundei schlägt eine allgemeine Mietrechtsreform vor. «In Wirklichkeit haben wir das Problem, dass wir ein veraltetes reformbedürftiges Mietrecht haben», sagt er. Die Wohnungen bleiben also vorerst leer.