Lisl Ponger spielt RevolteArtistin

Vorschläge zur Hinterfragung des Geistes der Biennale von Venedig

Drei Fotos, drei Gruppen von «Aufständischen». Noch ist ihr Triumph, ihr Protest im prallen Zustand der Würde, von einer Fotokünstlerin inszeniert. Ein Vorschlag von Lisl Ponger für die Biennale in Venedig, derzeit in Linz zu sehen. Drei Fotos, drei Fragen: Wer vertritt Österreich in Venedig? Warum sollte eine Künstlerin eine Nation vertreten? Wann werden in Venedig die nationalen Pavillons zu Commons erklärt?

Die «Facebook»-Revolten, die Platzeroberungen, die scheinbar «ideologiefreien» Aufstände gebildeter und dennoch perspektivloser städtischer Menschen im nahezu gesamten mediterranen Bereich, nördlich, östlich und südlich des Mittelmeers, sind fotogen. Manche Bilder, die die AkteurInnen der besetzten Plätze auf die privaten und öffentlichen Screens der ganzen Welt transferieren, erinnern an inszenierte Momente des Triumphs der Guten.

Lisl Ponger, die österreichische Fotografin, die wie wenige andere ihr künstlerisches Anliegen mit den Zielsetzungen ihres sozialen und politischen Engagements zusammenbringt, hat solche Momente tatsächlich inszeniert keine schlechte Idee in einem Land, in dem man auf die reale, lebendige Widerstandsbewegung noch warten muss, die den Beteiligten eine Menschenwürde verleihen würde, aus der von sich aus eine Ästhetik des Ungehorsams wächst.

Die drei AktivistInnengruppen, die Lisl Ponger mit ihrer Kamera besucht hat, sind keine Fiktionen. Es sind drei exemplarische Unzufriedenen-Zusammenhänge, aus realen «Betroffenen» bestehend, die tatsächlich schon tätig wurden und tätig sind, um die Öffentlichkeit auf ihre jeweilige Situation aufmerksam zu machen. Es sind Migrantinnen, die vom Staat fordern, dass der Standard der allgemeinen Frauen- und Menschenrechte auch für sie gelten muss, Augustin-VerkäuferInnen, die gegen die Vertreibung unerwünschter Gruppen aus dem öffentlichen Raum demonstrieren, und SchülerInnen des BORG3, die gegen die restriktiven Fremdengesetze und für den Verbleib einer Mitschülerin in Österreich auf die Straße gegangen sind.

Bei allen drei Beispielen handelt es sich um inszenierte Demonstrationen. Die AkteurInnen spielen sich selbst. Die drei für die Kamera gestellten Proteste stehen für eine umfangreiche Serie, die im Österreich-Pavillon in Venedig eine Art Panorama der österreichischen Zivilgesellschaft wiedergeben könnten wenn Lisl Ponger je die Chance hätte, den Österreich-Pavillon der Biennale zu bespielen. «Jedes Foto», sagt Ponger, «ist die Bildwerdung einer Forderung an den Nationalstaat Österreich.»

«Wir sind viele» nennt Lisl Ponger ihren «Vorschlag für Venedig», den sie zusammen mit ihrer Kuratorin Margarethe Makovec (rotor Graz) für eine spannende Ausstellungsidee der Landesgalerie Linz erarbeitet hat. Für die am 25. Mai eröffnete Ausstellung «Proposals for Venice» (sie läuft bis Mitte Oktober) sind insgesamt sechs KuratorInnen gebeten worden, Vorschläge für eine fiktive Gestaltung des Österreich-Pavillons zu formulieren, als ob sie sich an einem Wettbewerb beteiligten: Wer vertritt «die Nation Österreich» in der kommenden Biennale?

Einen solchen Wettbewerb gibt es bekanntlich nicht in Österreich; wer zur Biennale darf, weiß ganz allein das Bundeskanzleramt oder das Ministerium, während andere Länder zu einer demokratischeren und transparenteren Vergaberegelung übergegangen sind. Der Als-ob-Wettbewerb keine der künstlerischen und kuratorischen Positionen wird wirklich je die offiziell «österreichische» sein kommt also einem Statement der Landesgalerie Linz gleich: Es herrscht Unzufriedenheit über die Art der Auswahl der nationalen Biennale-Vertreter.

Margarethe Makovec weist im Augustin-Gespräch auf das Dilemma hin, in das KuratorInnen und KünstlerInnen geraten, die dazu bestimmt werden, «Österreich zu vertreten». «Dieser Geist der nationalen Repräsentanz ist die Crux der Idee der Biennale», meint Makovec. Er führe zu Absurditäten wie der Kontinuität des tschechoslowakischen Pavillons, der einmal von der tschechischen «Nation», einmal von der slowakischen Konkurrenz bespielt werde. So weit, den venezianischen Friedhof der nationalen Schubläden zu kritisieren, in die gesteckt zu werden man sich als europäische oder planetarische oder einfach wienerische Kunstschaffende weigern sollte, geht der Ausstellungsbetreiber allerdings nicht. Wenn er das täte, müsste die Linzer Ausstellung den Titel «Proposals to destruct Venice» tragen.