Live-Band statt HeiratenArtistin

Zu Besuch bei Brigitte Rosée, «Chefin» der ersten All-Girl-Band Österreichs

Einmal pro Monat stellt «Trash Rock Archives», der Verein für österreichische Subkulturforschung, hier in Vergessenheit geratene Held_innen der österreichischen Popgeschichte vor. Diesmal sind Al Bird Sputnik (Text) und Mario Lang (Foto) nach Währing gefahren, um die Musikerin Brigitte Rosée zu treffen. Heute leitet sie eine Künstler_innenagentur; in den 1960er Jahren war sie Schlagzeugerin und «Chefin» der ersten All-Girl-Band Österreichs.Zu Gast bei einer Grande Dame: Gut gelaunt empfängt uns Brigitte Rosée in ihrer Altbauwohnung im 18. Wiener Gemeindebezirk. Das Wohnzimmer, in dem wir das Interview führen, ist hell und glamourös. Wir trinken Kaffee an der Hausbar, wo uns Grace Kelly, Humphrey Bogart und etliche weitere Film-Persönlichkeiten der 1940er-Jahre auf gerahmten Autogrammkarten und Pressefotos begegnen.

Als Rosée mit ihrem Unternehmen «Music- & Showservice Brigitte Rosée» im Jahr 1973 an den Start ging, war sie im deutschsprachigen Raum die erste Frau im Business, eine Wegbereiterin in einer verrufenen Männerdomäne. «Blöde Sprüche von der Konkurrenz gab es natürlich immer», erinnert sie sich, «aber da muss man durch.» Anfangs arbeitete sie mit kommerziellen Tanzbands, die mit allen Wassern gewaschen und unermüdlich Bühnen-Shows mit einschlägigem Song-Repertoire bestreiten konnten. In den erfolgreichsten Jahren betreute ihr Unternehmen rund vierzig Live-Acts pro Monat; insbesondere zur Wintersaison ging es rund. Mit den späten 1970ern gelangten unter dem Eindruck der weltweit grassierenden Discowelle erstmals Diskjockeys in das Programm der Agentur. Die kommerzielle Showbranche erlebte in jenen Jahren einen schleichenden Paradigmenwechsel, als den kostspieligen Tanzbands durch patente Alleinunterhalter allmählich das Wasser abgegraben wurde. Das Ende einer Ära, wie sich Brigitte Rosée vergegenwärtigt. «Meine DJs sind damals mit riesigen Koffern angereist. Kofferweise Schallplatten mit allen geläufigen Schlagern der Hitparade. Das war dann rasch unser Hauptgeschäft.» Die Schallplatten sind mittlerweile dem Laptop gewichen.

Alles Mädels!

Ihren Einstieg ins Showbusiness fand Brigitte Rosée schon in den frühen 1960er-Jahren: «Musik hat mich ja schon immer interessiert. Und nach der Handelsakademie nur im Büro zu sitzen, war mir zu langweilig. Ich hätte mit zwanzig heiraten sollen, worauf ich aber keine Lust hatte. Ich wollte lieber was anderes machen, und wurde ist die Idee geboren, eine Live-Band zu gründen.» Die zeitgenössische Unterhaltungsmusik war von hoher Professionalität und abgebrühten Tanzcombos gekennzeichnet, die sich stark nach profitorientierten Prinzipien richteten. Die österreichischen Schlagerstars jener Tage waren immerhin Kaliber wie Peter Alexander, Lolita, die Honey Twins, Freddy Quinn oder Udo Jürgens und raffinierte Vermarktungsstrategien wettbewerbsentscheidend: «Um aus der Masse herauszuragen, dachte ich mir: ‹Alles Mädels wäre nicht schlecht›. Denn alles andere gab’s ja eh!» Über Zeitungsannoncen unternahm Rosée schließlich den Versuch, junge Musikerinnen zu rekrutieren. Mit Erfolg. «Wir waren anfangs zu sechst: Gesang, Gitarre, Bass, Orgel, Trompete und Schlagzeug. Ich habe einfach das Instrument gelernt, das uns am Ende noch zu einer Live-Band gefehlt hat. Das war Schlagzeug.» Die Geburtsstunde der Rosée Sisters war gleichzeitig die Blaupause für Brigitte Rosées spätere Karriere. Sie führte die Gruppe wie ein kleines Unternehmen, orchestrierte das mediale Image und bestand auf Verlässlichkeit ihrer Musikerinnen-Kolleginnen und regelmäßigen Proben. «Den Ehrgeiz, mit einer Boy-Band mitzuhalten, hatte ich immer. Es hätte ja sonst keinen Sinn gemacht. Denn vor uns und nach uns haben ja immer andere Leute gespielt, und da wäre ein qualitativer Abfall einfach nicht akzeptabel gewesen.»

Sportwagenfahrende Profimusikerinnen

Bereits die frühesten Live-Auftritte der Rosée Sisters wurden vom österreichischen Feuilleton mit effekthascherischen Schlagzeilen bedacht, die in steter Bezugnahme auf das Geschlecht der Musikerinnen das Spektakel als sensationell oder skurril subsumierten. Der Novelty-Faktor war seitens der Bandleaderin aber durchaus kalkuliert. Musikerinnen als exotische Wesen: ein kommerzieller Volltreffer. So textete etwa die «Kärntner Tageszeitung» in ihrer machistischen Unbeholfenheit: «Ihre Musik ist ebenso erregend wie die Ausschnitte ihrer eleganten Kleidchen. Wenn sie jeweils dreißig Minuten lang Schlager um Schlager in eigenem Arrangement loslassen und dazu noch singen, dann ist dies eine Wucht, die selbst den besinnlichsten Urlauber älteren Jahrgangs vom Sitz reißt.»

Auch im Ausland stieß die «Damenkapelle aus Wien» (Originalzitat: «Bild»-Zeitung) auf beachtliche Resonanz, was sich rasch in ausgebuchten Terminplänen und einem luxuriösen Lebenswandel der Musikerinnen niederschlug. «Wir wurden ständig angefragt und konnten uns die bestbezahlten Engagements aussuchen. Es war ein aufregendes Leben. Wir waren als Profi-Musikerinnen dauernd auf Tour, haben gute Kohle gemacht und jede von uns hat einen Sportwagen gefahren. Was will man in dem Alter mehr?»

Im Jahr 1966 schaffte die Band schließlich noch etwas, wovon Teenager_innen in ganz Österreich eigentlich nur träumen konnten: Der deutsche Marktführer Polydor ließ die 7”-Single «Du bist wunderbar / Du schenkst mir Rosen» mit den Rosée Sisters produzieren. Gleichzeitig blieb es den Musikerinnen aber verwehrt, die Instrumentalspuren der beiden Songs selbst einzuspielen, obwohl sie dazu zweifelsfrei imstande gewesen wären. Dem kommerziellen Majorlabel erschien es aber doch zu riskant, kostbare Studiozeit in junge Instrumentalistinnen zu investieren: eine bedauernswerte Fehleinschätzung! Die beiden Nummern wurden letztlich von einem Tanzorchester aufgenommen, während die Band auf dem Plattencover kurioserweise mit ihren Instrumenten abgebildet wurde. Dies sollte die einzige Veröffentlichung der Rosée Sisters bleiben.

In jenen Tagen perfektionierte die Band eine tanzbare Mischung aus Doo Wop, Beat und Schlager und erstellte ein Repertoire von rund zweieinhalb Stunden. «Wir haben allmählich einen eigenen Stil entwickelt, mit einem eigenen Korrepetitor gearbeitet und einen vierstimmigen Gesangstil entwickelt, so wie ihn etwa die McGuire Sisters oder die Clark Sisters hatten. Dazwischen gab es Moderationen und Showeinlagen, die wir vorher einstudiert haben. Es war sehr wichtig, auch Stimmung zu machen.» Nach weiteren Jahren auf Tour und umjubelten Engagements in München, Berlin, Köln, Zürich, Bern, Basel und Amsterdam legte die erste All-Girl-Band Österreichs im Jahr 1971 ihre Tätigkeit schließlich nieder. Das Vermächtnis der Rosée Sisters war indes wichtige Pionierarbeit für heimische Musikerinnen kommender Generationen. Pionierarbeit, die im zeitgenössischen Pop-Diskurs allzu oft übersehen wird. Doch wie Brigitte Rosée mit aller Leichtigkeit zum Abschluss unseres Interviews sagt: «Ich habe jede Minute gelebt und nichts bereut. Das war sensationell. Und ich würd’s jeden Tag wieder machen.»

Im Augustin Nr. 408 stellen wir Ihnen den «Elvis von Wien», Robert Benett, vor.

Info:

www.musikrosee.at

www.trashrockarchives.com

Al Bird Sputnik ist freier Autor, DJ und Betreiber des Kulturvereins Trash Rock Archives zur Erforschung österreichischer Pop-Geschichte («Schnitzelbeat»).

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