Lob der ReduktionArtistin

Musikarbeiter unterwegs … iiiiiih, Phonesnake im Fettkakao!

Vier Jahre nach Gründung veröffentlicht das Duo Kristy and the Kraks eine neue EP.  Wiens regierende Königinnen des Garagen-Glam’n’Trash in blendender Form.

Foto: Mario Lang

Als sich der Sarg senkt, klingt «Bye Bye Baby» durch die Feuerhalle, voller Menschen, die sich nicht nur bei Trauerfällen gerne schwarz kleiden. Joey Ramone und Ronnie Spector, The Ronettes’ 60ies-Girl-Group-Titanin, Exfrau des merkwürdigen Phil, singen Lörkas hinterher. «We had some good times, we had fun, we drove each other crazy, I always love you baby.» Hardcore-Moment, nur weinen und lachen geht. In Gedanken drücken wir Freund Lörkas noch einige hundert feuchte, schmatzende Küsse auf die zu Lebzeiten stets bussibereiten Lippen, fürs Leben und Lebenswerk (Gitarre bei Pöbel, Dead Nittels, Coyoten von Bagdad, Open The Barngates …).

Tage später am und im Leben erzählt Ana Threat, die mit Kate Kristal das «two headed love child» Kristy and the Kraks mit einem ersten Konzert im August 2013 («mit den tollen Los Cripis aus Argentinien») auf die Welt gebracht hat und seither in gemeinsamer Obsorge aufzieht, von ihrer Liebe zu The Shangri-Las. Wie The Ronettes Gigantinnen des «sweet 60ies Girl Pop». Der sich, auf ihre Art interpretiert, als ein Element durch die wissende, gleichzeitig wunderbar unmittelbare Musik von Ana und Kate zieht. Beide spielen Gitarre, singen und bedienen ein rudimentäres Drum-Set. Real, echte, direkte Sounds, «ohne Playbacks, ohne Loops». Eine mobile musikalische Eingreiftruppe im Auftrag der geteilten Obsessionen – erster gemeinsamer Output war ein Foto, dem eine Band, eine Musik folgen musste! – ihrer Betreiberinnen. Zwischen Garage, Punk und incredible strange Pop. «Ja, wenn uns wer die Verstärker führt.»

Lovelight. «Snakes On The Phone» erscheint beim verdienten Wiener Art’n’Queer’n’Punk-D.I.Y.“-Label Fettkakao, das mit dem Release-Konzert der Vinyl-EP sein 12-jähriges Bestehen feiert. Titel und Anstoß lieferten dem kompakten Freudenspender die Coverversion «(I’m) Stranded». Ein Song, dessen Text mit «like a snake calling on the phone» von 0 auf 100(0) geht. Kristy and the Kraks hängen das Studio-Original der australischen Protopunks The Saints um gut 95 Sekunden ab. Nicht nur deswegen hätten die Herren Bailey (Chris) und Kuepper (Ed) sicher eine Freude daran. Die beiden Musikerinnen erklären ihre Duo-Arbeitsweise, gerne praktiziert nach längeren Kristy-Pausen: Zwei Tage in den Proberaum, am Schluss die Song-Ausbeute aufnehmen, no matter, wie weit diese «entwickelt» ist. Das warf (bislang haben sie so ein Album, eine EP und diverse Compilation-Beiträge erarbeitet) zuletzt wieder vier Songperlen ab. Ana: «Unser Exzellenzpunkt ist Sprödigkeit.» «Zu viel Routine würde dieser Musik nichts Gutes tun», ergänzt Kate. Opener «Lovelight» definiert Ana Threat als den Tearjerker (yeah!), «der mir immer wieder auskommt». Reduziert und passionate auf der Jagd nach dem «Kindheitstraum» Girl Group. «Ready» warnt ein Gegenüber davor, gefälligst keine time der Sängerin zu wasten, der textlose UrbanSurf «Arbeit BaBa» empfiehlt sich als Theme-Song einer zu schaffenden TV-Serie, in der unbedingt Willi Warmas «Ich geh nie wieder arbeiten» ebenfalls vorkommen muss.

Sonnenschein ist furchtbar. Zu tun haben die beiden Frauen von Kristy and the Kraks genug, darum manifestiert sich das Duo mitunter gewollt sporadisch. Ana Threat kuratiert(e) mit Eberhard Forcher das diesjährige Popfest (27. bis 30. 7.) und lernt(e) dabei als «Königin vom Karlsplatz» im Sinne einer «zu erfüllenden Aufgabe zur Zufriedenheit vieler Interessen» viel über Pop, den sie bislang eigentlich und alltäglich im DoItYourself/Punk-Mindset wahrgenommen hat. In letzterem Kontext fühlen sich Kristy … definitiv zuhause, erzählen rückblickend erheitert von einem schrägen Gig in Leipzig, wo sie unwilligen italienischen Progrockern eine Trommel entlehnen mussten. Nach der Release-Show im Fluc geht’s auf Kurz-Tour, mit Stationen in Ljubljana, Beograd, Szeged, Budapest und Prag. Gleich zwei veritable Untergrund-Legenden sind mit on the road – «Tourpapa» Andi Fettkakao und US-Künstler Ian Svenonious, der als Escape-Ism auftritt (am 18. 6. tut er dies im Wiener Rhiz, leidenschaftliche Empfehlung!).

«Große Bühne ist schwierig», sagt Kate über die Auftritts-Präferenzen des Duos, «da fühle ich mich nicht so wohl.» «Es ist ganz schwierig, draußen spielen, ganz, ganz, schlecht, wir sind überhaupt keine Festival-Band, auch Sonnenschein ist furchtbar, ich will im Finsteren in meinem Fransen-Body stehen», führt Ana weiter aus. «Am schönsten ist es überhaupt, wenn es keine Bühne gibt», sind sich Kristy and the Kraks einig, wie sie sich ihren idealtypischen künstlerischen Lebensraum vorstellen. Auf Augenhöhe, im Finsteren, in solcher Gesellschaft, mit solchem Soundtrack – nicht der schlechteste Ort, sich aufzuhalten. See you there!

Kristy and the Kraks,

«Snakes on the phone»

(Digital/Vinyl), Fettkakao

Live: 17. 6., Fluc

facebook.com/kristykraks