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Raiffeisen: wie der Alleinherrscher zu seinem Nachfolger kommt

Raiffeisen ist der größte Brocken, den Österreich wirtschaftlich zu bieten hat. Der Nummer eins im Bankensektor mit Spitzenstellungen im Versicherungs- und Immobilengeschäft, im Medienbereich und in zahllosen Industriesparten sowie mit einem De-facto-Monopol in der Landwirtschaft und vielen Teilen der Lebensmittelindustrie kann niemand das Wasser reichen. Was früher der Kaiser war, ist heute der Generalanwalt des Raiffeisenverbands: ein mit einmaliger, demokratisch nicht legitimierter Machtfülle ausgestatteter Alleinherrscher.Die Halbwertszeit von Christian Konrad, dem derzeitigen Inhaber dieser Position, geht in rapiden Schritten zu Ende. Als 1943er-Jahrgang ist der studierte Jurist und Inhaber von 14 Aufsichtsratsmandaten (acht davon als Vorsitzender) gemessen am derzeit geltenden Pensionsalter schon seit drei Jahren überständig. Für demnächst hat er, der in der Vergangenheit eine Präferenz für Josef Pröll zu erkennen gab, die Bekanntgabe seines Nachfolgers angekündigt.

Insofern hat es sich gut getroffen, dass Josef Pröll mittlerweile als erster Vizekanzler (und Finanzminister) gelten kann, der der Republik quasi im Galopp verloren gegangen ist. Vorwand für den aus heiterem Himmel erfolgten Rücktritt des 42-Jährigen am 13. April dieses Jahres war eine Lungenembolie. In SPÖ-Kreisen wurde gefeixt, er sei damit einem Skandal um sein Privatleben ausgewichen.

Tatsächlich wollte der Bauernbündler sichs verbessern. Offenbar sind mehr Geld und weniger Stress sein Lebensziel. Jedenfalls schob er gesundheitliche Gründe vor, um seinen Abschied aus der Politik als unausweichlich darzustellen. Prölls Karriere hatte bis dahin kontinuierlich nach oben geführt: Nach dem Studienabschluss an die Universität für Bodenkultur in Agrarökonomie (1993) werkte er standesgemäß zunächst als Referent der NÖ Landwirtschaftskammer und des Österreichischen Bauernbunds, dann als Direktor der Wiener und der Bundeslandwirtschaftskammer.

Hier ist daran zu erinnern, dass der Arbeitermörder und Bundeskanzler des autoritären Ständeregimes Engelbert Dollfuß die Dreieinigkeit von Bauernbund. Landwirtschaftskammer und Raiffeisen an die Wand gemalt hat. Damit ist die programmatische Verbindung der drei Organisationen in Politik, Organisation und Personal gemeint.

Als Kabinettschef des damaligen Landwirtschaftministers Wilhelm Molterer geriet Pröll endgültig in den Sog der Politik. Von 2003 bis 2008 fungierte er im Kabinett Schüssel II und im Kabinett Gusenbauer als Landwirtschafts- und Umweltminister. Nach der Nationalratswahl 2008 löste Pröll Molterer als ÖVP-Chef ab und spielte den Vizekanzler und Finanzminister der Regierung Feymann. Seine größte Tat war die Ausarbeitung des Milliardenpaktes zur Bankenrettung. Dieses Konstrukt soll Pröll vom Chef der Raiffeisenzentralbank Walter Rothensteiner in die Feder diktiert worden sein.

Um in der Nachfolge Christian Konrads als Generalanwalt des Raiffeisenverbands eine Chance zu haben, musste Pröll sich rechtzeitig aus der aktiven Politik entfernen. Das hat er im April unter Vergießen von Krokodilstränen getan. Beobachter erwarteten seine baldige Aufnahme im Umfeld von Raiffeisen. Anfang Juni war es so weit: Die APA meldete: «Neuer Job für Josef Pröll Ex-Vizekanzler wird ab 1. Juli Vorstandschef der Raiffeisentochter Leipnik Ludenburger.»

Auf der Homepage des Unternehmens heißt es: «Die Leipnik Ludenbuger Invest Beteiligungs AG (LLI) ist ein traditionsreiches und finanzstarkes mitteleuropäisches Unternehmen, das sich als Holdinggesellschaft versteht, die ihre strategischen Beteiligungen jene, die sie allein oder als Mehrheitseigentümerin hält aktiv und expansiv im Sinne eines nachhaltigen Wert- und Ertragszuwachses führt. Seit 1995 widmet sich die LLI im Ausbau ihrer Beteiligungen ausschließlich ihrem Kerngeschäft: dem Nahrungs- und Genussmittelsektor in Österreich sowie in Zentral- und Osteuropa.»

Weiter im Zitat: «Abgesehen von einzelnen Finanzinvestments zur Absicherung des Portfolios sowie von der substanziellen Beteiligung an Österreichs einzigem Zuckerproduktions-Konzern Agrana hält die LLI nur Anteile in einem Ausmaß, das die Führerschaft im jeweiligen Unternehmen sichert.»

Dazu wird konkret ausgeführt: «In den Kernbereichen Mühle sowie Vending (Heißgetränke und Verpflegung aus Automaten wie im Kottan? Red.) sind die Unternehmen der LLI in Österreich sowie in einigen EU-Staaten Marktführer. Der Konzern wächst kontinuierlich sowohl durch die Expansion bestehender Tochterunternehmen als auch durch Zukauf.»

Als Haupteigentümer werden die Raiffeisen-Holding NÖ-Wien und die Raiffeisenzentralbank angeführt. Dass es sich bei der LLI um eine erste Giebelkreuz-Adresse handelt, zeigt die Zusammensetzung des Aufsichtsrats: Als Vorsitzender agiert Christian Konrad, als Vorsitzender-Stellvertreter Walter Rothensteiner. Einfache Mitglieder sind Hameseder (Chef der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien, Marihart (Chef der Agrana) und Brandstetter (Chef der Uniqa-Versicherung). Bemerkenswerterweise wird auf der Homepage kein Belegschaftsvertreter angeführt.

Die Darstellung zeigt, dass Pröll sich als Vorstandschef der LLI in ein gemachtes Bett legt und gleichzeitig in engster Verbindung mit den größten Größen des Raiffeisenkonzerns steht. Insider schließen bereits Wetten darauf ab, dass Pröll spätestens im April oder Mai des kommenden Jahres Konrad als Generalanwalt ablösen wird. Na dann: Glück auf!