Leo Kornherr kennt die Kellergasse als Verführerin zum Suff und zur Kunst
Mit 13 Jahren hatte er die erste Alkoholvergiftung. Vor ein paar Jahren versoff er eine Erbschaft von 10.000 Euro binnen kurzer Zeit. Kalksburg und der Schäfermischling Triggo brachten das Wunder zuwege: Leo Kornherr wurde trocken. Er entdeckte seine Liebe zur Fotografie. Seine Ausstellung „Lichtblicke eines verpfuschten Lebens“ ist derzeit in Wien zu sehen.Langsam verflüchtigen sich die letzten Schwaden des frühmorgendlichen Taus über den Ebenen des Weinviertels. Es herrscht absolute Stille, die nur von gelegentlichem Vogelgezwitscher durchbrochen wird. Bedächtig wutzelt Leo ein Paper zwischen seinen Fingern und mit einem lauten Schnappen öffnet er das Zippo. Die blaue Flamme entzündet das Papier, bis sich eine rote Gluthaube bildet.
Genüsslich zieht er an seiner selbst gewutzelten Zigarette und stößt kleine Rauchringe aus, die sich langsam gegen den Himmel ziehend im Nichts auflösen.
Mit entschlossenen Schritten und in völligem Einklang mit der Natur wandert er über die Wiesen und Felder um Poysdorf auf der Suche nach geeigneten Objektiven für seine Kamera.
Laut Leo Kornherr „kann man ja alles fotografieren“. Es kommt nur auf den richtigen Betrachtungswinkel an. Egal ob es sich um einen in einem Teich eingefrorenen Schuh oder um eine sich in einer Glasfassade spiegelnde Kirche oder um die Eingänge von Weinlagern in einer Kellergasse handelt.
Dennoch verblüffen die präzise Proportionsaufteilung und der ungewöhnliche Blickwinkel seiner Fotos.
Dabei genoss der gelernte Installateur niemals eine fototechnische Ausbildung. Er hatte Zeit seines Lebens das Bedürfnis in sich getragen, Eindrücke auf Fotopapier zu verewigen. Doch übermäßiger Alkoholkonsum ließ kein Geld über für eine Kamera. Dabei begann seine Karriere als Alkoholiker schon frühzeitig.
Durch die Kellergassen von Poysdorf
Mit dreizehn Jahren spazierte Leo mit seinen Freunden durch die Kellergassen von Poysdorf, als ein alteingesessener Weinbauer sie freundlich in seinen Weinkeller einlud. Er machte sich einen Spaß daraus, die Jugendlichen auf ihr Erwachsenenleben vorzubereiten und füllte sie mit seinem Rebensaft ab.
Leo: „I waas nur mehr, dass i sechs Achterl trunken hob, danoch hama uns gegenseitig hamgschleppt. Beim Bach bin i dann zaumbrochen und liegenbliebn. Hätt mi net a Freund aussezogn, hätt i doimals scho mei Karrier beendet.“
Mit dreizehn Jahren schon die erste Alkoholvergiftung und seit damals ist der Ausdruck „Gestern hob i wieder an Leomäßigen sitzen ghobt!“ ein Begriff.
Gelernt hat er dann Installateur, „damit sich daheim keiner aufregen kann“. Nachdem er mit der Lehre fertig war, ging er nach Wien. Dort begann er als Aufzugsmonteur sein Brot zu verdienen.
Das Gehalt von 25.000 Schilling war nicht so schlecht, aber die täglichen Lebenserhaltungskosten eines Mannes, der sich laut eigenen Angaben seit seinem fünfzehnten Lebensjahr täglich betäuben muss, waren eben recht hoch.
Am Anfang genügten ein paar Seideln und ein paar Kurze. Doch mit der Zeit wurden es mehr.
Leo: „In der Frua bin i scho a hoibe Stund früher weggangen, damit i mir no zwei Bier kaufen konnt. Um a neune zum großen Frühstück gabs Ham and Eggs mit vier, fünf Seideln. Beim Mittagessen woans dann wieder a paar Bier und wie i dann um vier von der Bude ham bin, hat der Brandineser bei mir ums Eck grod den Rollbalken hochzogen. Na ja, dann hab i nur mehr Schnaps gsoffen, weil i eh schon den ganzen Tag so viel Bier gsoffen hab. Und um sieben bin i dann wieder ham.“
Währungseinheit Seidel
Als er es dann 1995 in der Arbeit nicht mehr aushielt, packte er seine Koffer und fuhr in die Entziehungsanstalt nach Kalksburg. Er ärgerte sich über die Leute, die mit einem Bier in der Hand hinausfuhren. „Waun i ’s scho mach, dann moch i ’s gscheit.“
Nach einem sechswöchigen Aufenthalt kehrte er geheilt in seine Wiener Stadtwohnung zurück und lebte ein normales Leben. Da er nun nicht mehr trank, blieb ihm auch Geld über und er konnte sich zum ersten Mal eine eigene Kamera kaufen. Er war oft bei seinen Schwiegereltern in Poysdorf und verbrachte viel Zeit im Freien. Leo spazierte durch die Wälder um Poysdorf und entwickelte ein Auge für die Naturwunder dieser Gegend.
2002 überkam ihn der Durst und er trank bei Freunden zwei Seideln, nur um zu wissen, ob es ihm noch schmecke. Danach war ihm einen Tag schlecht. Aber als die Übelkeit verschwand, begann wieder alles von vorne.
Leo: „Die Alkoholsucht ist einfach etwas Schlimmes, wenn i zum Beispiel neuche Unterhosen hätt kaufen sollen, hob i ma umgerechnet, wie viel Seidln des schon wieder woan.“
Innerhalb von einem Jahr hat er eine Erbschaft von 10.000 Euro versoffen. Im Sommer 2002 meldete er sich erneut für Kalksburg an, um diesmal endgültig von der Sucht wegzukommen.
Ein befreundeter Künstler riet ihm, die Fotos bei Wettbewerben einzuschicken, da sie von künstlerischer Qualität seien. Kurzerhand reichte er die Fotos bei einem Wettbewerb des Technischen Museums ein und gewann auch einen Preis dafür.
Doch die Folgen seines jahrelangen Alkoholkonsums suchten ihn schlussendlich doch noch heim. Eine kaputte Bauchspeicheldrüse und Diabetes zwangen ihn, seinen Job an den Nagel zu hängen.
„Du hörst zwar immer wieder, dass des Saufen so was verursacht, aber des passiert jeden, nur net dir.“
Anfang 2003 nahm sich Leo einen Hund, einen wunderschönen und stattlichen Schäfermischlingsrüden „Triggo“, dessen tiefbraune Augen jedes Mal treu aufblicken, wenn sein Herrchen die Stimme erhebt. „Der Triggo war mei Rettung, i hob ma ’n gnuma, damit i net wieder mitn saufen anfang. Wei i wü net ois so Angsoffener hinterm Triggo herrenna.“
Auf dem Hundeplatz lernte Leo 2005 Christian Peherstorfer kennen. Die zwei begannen sich über das Wetter zu unterhalten und halfen sich mit Zigaretten aus, wenn einer einmal keine hatte. Irgendwann kamen sie auf das Thema Fotografie zu sprechen und dann zeigte Leo seine Fotos.
Christian Peherstorfer ist im Vorstand des „BRAP Clubs“, ein Verein zur Förderung der Kreativität. Ihm gefielen die Bilder so außergewöhnlich gut, dass er kurzerhand beschloss, eine Ausstellung von Leos Bildern in die Veranstaltungsreihe „Social Arts“ des BRAP Clubs aufzunehmen.
Peherstorfer: „Bei Social Arts geht es darum, über Kreativität seine Probleme ein wenig besser in den Griff zu bekommen. Hier treten Menschen in den Vordergrund, die durch ein traumatisches Erlebnis ein wenig ins Abseits geraten sind. Der Verein BRAP Club hilft bei der Gestaltung der Werbung, bei der Umsetzung des Programms und gibt Ratschläge bezüglich Ansuchen um Fördermöglichkeiten.“
BRAP Club
www.backtotheroots.at
Kaiserstraße 109
1070 Wien,
Mo.-Fr., 13-21 Uhr.
Die Fotoausstellung von Leo Kornherr findet vom 9. Juni bis 30 Juni im BRAP Club statt. Die Einnahmen aus dem Bilderverkauf gehen zu 100 % an den Künstler.