Martyrium Christi fürs musikalische KabinettArtistin

Die «Schmoizhodan-Passion»: eine Melange aus Austropop und dem wienerischen Jesus

Dieser Tage feiert im Theater Drachengasse die Schmoizhodan-Passion ihre Uraufführung: In ihren Grundzügen dem Passionsspiel und der klassischen musikalischen Gattung verpflichtet, setzt die Produktion dennoch einige neue Maßstäbe: An Stelle der Luther-Bibel tritt Wolfgang Teuschls Bibelübersetzung «Da Jesus und seine Hawara», Schmalz und Schmelz stammt von verschiedensten Ikonen der heimischen Pop- und Gegenkultur. Immer noch großes Oratorium nur eben ganz klein, ganz weanerisch und keineswegs ohne Augenzwinkern.Der Augustin sprach mit zwei Passionisten der ersten Stunde: Mit dem Schauspieler und Jazz-Musiker Christian Steiner, der auf der Bühne als Jesus zu sehen sein wird, und mit Florin Mittermayr, dem Dramaturgen und Regisseur der Schmoizhodan-Passion.

Was ist der Schmoizhodan? Wird er von euch in Anlehnung an Herwig Seeböcks «Häfenelegie» verwendet?

Christian Steiner: Nein, der Schmoizhodan ist wienerisch und steht für Schmachtfetzen, also für ein sentimentales Liebeslied.

Florin Mittermayr: Wer beim Hodan an Textilien denken muss, hat dabei aber vielleicht auch nicht ganz unrecht: Wer kann schon wissen, welche Übersetzung Wolfgang Teuschl für das Schweißtuch der Veronika gefunden hätte, wenn es in der Bibel vorkäme?


Ich nehme an, ihr seid Wiener.

FM: Ich bin in Wien zur Welt gekommen und mehr als die Hälfte meines Lebens hier.

CS: Ich bin halb Türke, halb Österreicher, also ein echter Weana!


Wie ist die Schmoizhodan-Passion entstanden?

FM: Christian und ich wollten schon seit Langem etwas miteinander machen. Christian hat einen Faible für wienerischen Dialekt und ist mit Wolfgang Teuschls Text «Da Jesus und seine Hawara» dahergekommen. Der ist dann am Tisch gelegen und irgendwie nie wieder verschwunden. Es hat die verschiedensten Ideen gegeben, doch irgendwann war der Punkt erreicht, wo wir uns gewundert haben, dass der Text von Teuschl noch nie als Passionsspiel auf die Bühne gebracht wurde. Also dachten wir uns: Machen wir doch mit dem Text ein wienerisches musikalisches Martyrium Christi dass die Musik dafür irgendwo in den Hinterzimmern dieser Stadt schon vorhanden sein muss, haben wir vermutet. Von der Stimmigkeit des Ergebnisses waren wir aber bisweilen selbst überrascht.

Welche Rolle spielten dabei bereits vorhandene Passions-Vertonungen, etwa die Passionen von Johann Sebastian Bach?

FM: Ich habe mich bei der Dramaturgie bemüht, die Bach’sche Passionseinteilung zu übernehmen, allerdings endet die Schmoizhodan-Passion erst nach der Auferstehung. Grosso modo lässt sich jedoch behaupten: Wo bei Bach eine Arie oder ein Chor in der Partitur stehen, findet sich bei uns ebendieses. Nur dass bei uns halt nicht Picander und Bach deren Autoren sind, sondern die Liedtexte und die Musik beispielsweise aus den Federn eines Wolfgang Ambros, Georg Kreisler, Ronnie Urini, H. C. Artmann, Georg Danzer, Helmut Qualtinger oder Otto Lechner geflossen sind.

CS: Und auch das eine oder andere klassische Wienerlied ist bei uns zu finden eben alles, was zum Wiener Sentiment dazugehört.


Wie kommt man in Zeiten, in denen sich immer mehr Menschen von der katholischen Kirche abwenden, auf die Idee, eine neue Passion zu entwickeln?

FM: Sie wurde auch nicht für die Kirche geschrieben. Und ich sehe die liturgische Passionsdarstellung nicht zuletzt auch als Theater: Gerade am Land und in der Vorstadt wurde die nicht selten mit großer Gemeindebeteiligung realisierte Passion zum wichtigsten Berührungspunkt mit dem Schauspiel und allem, was dazugehört. Eine schmucke Kirche gibt es praktisch überall, und wenn dann der Nachbar den Petrus spielt, gewinnt der Lokalkolorit praktisch über Nacht massiv an Heiligkeit. Was ich natürlich sehr befürworte!

CS: Darüber hinaus ist die Leidensgeschichte Jesu Christi schon von Natur aus das Schauspiel der Kirche schlechthin und vermutlich auch das meistaufgeführte auf diesem Planeten. Und wenn man so gern leidet wie der Wiener, hat man mit einer Leidensgeschichte irgendwo auch immer eine Freude.

FM: So gesehen wird unsere Auseinandersetzung mit der Markus-Passion auch durchaus mit Augenzwinkern und bisweilen auch mit einem achtsam gerüttelt Maß Zynismus über die Bühne gehen.

CS: Aber niemals respektlos.


Somit gibt es auch keine blasphemische Passagen?

CS: Manche finden bestimmt welche.

FM: Das liegt im Auge des Betrachters. Als Teuschl seine Übersetzung der Bibel veröffentlicht hat, gab es einen kleinen Skandal: Da kommt einer und übersetzt die Bibel ins tiefe Wienerische. Das geht natürlich nicht, den Herrgott wienerisch reden zu lassen. Das hat für Schlagzeilen gesorgt.


Wäre eine Kirche als Gebäude ein interessanter Aufführungsort? Es gibt sehr progressive Komponisten und Komponistinnen, die ihre Werke am liebsten in Kirchen aufgeführt wissen möchten.

FM: Viele aus unserem Ensemble musizieren auch in Kirchen. Aber mir gefällt die Idee das traditionelle Passionsspiel in einen neuen Kontext zu setzen.

CS: Nicht zuletzt auch deshalb, weil man sich im Theater dann vielleicht doch noch ein paar Freiheiten mehr erlauben kann. Und als Kammer-Ensemble mit Kammerl-Chor sind wir auf der kleinen Bühne der Drachengasse sehr gut aufgehoben.


Wie ist Otto Lechner involviert?

FM: Er singt mehrere Arien, spielt das Harmonium, manchmal das Akkordeon, und nicht zuletzt gibt er den Judas Ischariot. Zu mir hat er gesagt: Du brauchst eh einen sympathischen Judas! Dem konnte ich nur beipflichten. Dass Otto Lechner einer der großartigsten Musiker ist, den dieses Land zu bieten hat, hat sich mittlerweile ja längst herumgesprochen.

CS: Weniger bekannt ist vielleicht seine Vielseitigkeit: Er war z. B. Josef Haders erster Pianist, hat auch schon verschiedenste Bühnenmusik geschrieben, bei uns sieht man ihn auch einmal am Harmonium sitzen.

FM: Und natürlich sind wir ihm auch zu Dank verpflichtet: Dass man als klitze-kleine freie Theaterproduktion mit Kapazundern vom Formate eines Otto Lechner, Alfred Schedl oder Pavel Shalman zusammenarbeiten darf, kann ja logischerweise nicht wirklich etwas mit der Gage zu tun haben.


Das Interview führte Reinhold Schachner.

Aufführungstermine:

30. und 31. März, 1. und 2. April 2012,

jeweils 20 Uhr

Theater Drachengasse, Bar & Co

Fleischmarkt 22, 1010 Wien

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