MassenauflaufDichter Innenteil

Hitze:

Flirrender Asphalt, und wenn sich irgendwo ein Stückchen Schatten findet, dann ist es auch nicht mehr. Nur Schatten und nur ein Stückchen. Ich beeile mich, eines zu erreichen, versuche meine Füße, die heiß gelaufen sind, darin zu kühlen. Kaum ist man angekommen, ist der Schatten auch schon wieder vorbei und man steht abermals auf der heißen Straße. Mutterseelenallein. Eine Geisterstadt. Nur die heiße Luft traut sich noch, sich zu bewegen.Schöner Himmel übrigens. Mehr violett als blau. Wenn da nicht diese erdrückende Langeweile wäre. Ich habe zu viel Zeit. Nachdenken ist nur bedingt gesund, denke ich, während ich schnell einen Fuß vor den anderen setze. Irgendwie sinnlos. Eine leere Coladose, sie wird getreten und rollt über die Straße. Sieht aus wie eine unförmige Pfütze. Falls heute noch jemand hier wäre, würde er sie sehen wie ein Kurzsichtiger. Zu viel Sommer. Zu viel heiße Luft. Zu viel überhaupt. Seltsam überflüssiges Zeug überall, wem nützt es denn, außer sich selbst? Die Dose, ich? Was mache ich hier, lasse mich braten oder was? Ich muss verrückt sein, zu sein. Mein ganzes Leben lang, unser ganzes Leben lang, sind wir, wozu? Am Anfang, okay, mal ausprobieren, aber dann werden wir unnütz. Das heißt, irgendwem nützen wir schon. Vielleicht Coca-Cola. Ich würde einiges dafür geben, wenigstens in einer angenehm nutzlosen Verfassung zu SEIN. Wie nach einer Nacht unter Freunden. Nacht wäre übrigens schön, jetzt. Da ist man auch zu nichts zu gebrauchen und trotzdem fühlt man sich wohler als eine Dose. Da scheißt man auf alle anderen, man hatte seinen Spaß und weiß trotzdem, dass er verdient war. Man wird ihn wieder haben. Aber so Ich frage mich, wie lange ich die runde Kugel unter meinen heißen Füßen noch quälen darf. Hätte nichts gegen einen Weltuntergang. Wenn wir wenigstens essbar wären. Überall Geschenke und wir nichts als hungrige Kinder. Nein, ich wollte was anderes, Mama, ich will nicht danke sagen, es war zu wenig. Scheiß Konzern, echt. McDonalds, Coca-Cola, Nestlé, Mensch. Pfui Spinne. Spinne sein wäre nett, nein, schön wärs.

Hunger:

Ich drehe mich um, hinter mir vernehme ich Geräusche. Doch keine Geisterstadt. Das Gegenteil. So viele Menschen. Ich muss lachen, doch gut, dass es sich nicht um Spinnen handelt, dreht. Zwei Beine sind schon in Ordnung, vier wären auch okay, mehr als sechs gehen auf keinen Fall, gehen zu schnell. Möglicherweise würde das die Erdrotation beschleunigen. Aber wenigstens sind sie essbar. Wäh, bei der Hitze kann man nichts essen, man wird ja selber gekocht. Meine Güte, viele sind das, fragt die Stimme doch in mir, wo die alle hinwollen? Bekomme ein Kribbeln im Rücken, wie von Spinnen. Vor einer Herde stehen ist ein unheimliches Gefühl. Ich gehe weiter, den Kopf verdreht, bis mich die Augen schmerzen. Näher und näher wie Unheil. Komisches Bild, irgendwie Hunger. Bitte, ich gehe ganz langsam, überholt und lauft, meinetwegen zur Fanmeile oder weiß der Teufel, in die Hölle. Das wäre ja Selbstmord, hier ist es schon unerträglich heiß. Aber nein danke, deuten sie, nein, sie bleiben einfach stehen. Einer muss ja vorgehen. Aber warum? Wieso denn ich? Einseinundsechzig, was soll ich da? Sie glotzen wie eine Horde Schafe. Stumpfer Blick, wenig Augen. Eigenartig heute. Okay, ich spiele mit, kommt mir bloß nicht zu nahe. Marsch. Lustig, irgendwie. Haha, so einfach ist das. Sollte ich öfter machen. Hui, die Böschung rauf, runter, fallt doch nicht so blöd hin, wie alt seid ihr denn? Was für ungewöhnliche Geräusche. Jemandem knurrt der Magen. Ich muss lachen. Es ist doch viel zu heiß, um jetzt ans Essen zu denken. Ah, da vorne: Eine Brücke darunter klares, wenigstens nur lauwarmes Wasser.

Hölle:

Spielen wir Lemminge. Keine Angst, so böse bin ich nicht, denn das Wasser ist ja tief genug. Verrückte Welt. Aber, nein, sie wollen lieber fangen spielen. Eine schlechte Idee, ich bin panikanfällig, mein Rücken hatte recht. Plötzlich beschleunigen sie ihren Schritt, werden immer schneller, ich vorne weg. Denen knurrt der Magen echt heftig, wahrhaftig. Was soll man tun gegen eine schnell rollende Masse? Als Einssechzig-Person? Sie sind schneller als ich, erreichen mich wie eine Welle, schwappen sie über mich oder auch nicht. Au! Sie haben Hunger. Wenn man das gewusst hätte, gibt es denn kein Cola mehr, verdammt, Angst? Reißen, Bestien, leere Augen, überflüssig, ich nicht mehr, fressen mich, ich will nicht schmecken, kein Pardon, ich schmecke doch, muss heute besonders gut riechen. Scheiße! Leber, Milz, alles, Pasta. So nützlich wollte ich nun auch wieder nicht sein. Schwarz vor den Augen, röcheln, nicht nur ich, Finger, Bisswunden, Zähne, Magen und Hirn, au, Schmerzen, poch, poch, noch immer, Unkraut vergeht nicht, Revolution. Warum nicht gleich? Haare, schmecken doch nach nichts, was soll das, fresst eure Kinder, gerade noch himmelhochjauchzend, die Revolution frisst ihre Kinder. Die Diktatur frisst den Führer gleich mit, das wollt ich nicht. Dass ihr dabei verreckt, also wirklich! Endlich keine Langeweile und jetzt essen?! Mit Haut und Haaren, Wölfe gegen Schaf oder nein, umgekehrt, Fleisch, undefinierbar, Organe, wichtig, Schwärze, Herz Stille.

Aber nicht ganz. Ich glaube, ich habe Hunger.

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