Mehr als nur Zugvögel der KonjunkturArtistin

50 Jahre jugoslawische Gastarbeit – ein Ausstellungsbesuch

«Unter fremdem Himmel» begann vor fünfzig Jahren ganz offiziell die Ära der jugoslawischen Gastarbeiter_innen in Österreich. Eine Ausstellung trägt Erinnerungen zusammen. Lisa Bolyos (Text und Fotos) hat sich zwischen Kolaric-Plakaten und Jugopop umgeschaut.

«Einer in meiner / Volksschule hat / ‹Scheiss Jugo!› zu / mir gesagt. Er hat von / mir eine Watschn be- / kommen und meine / Mutter musste dann / wegen mir in die / Schule kommen.» Wie Poetry liest sich der Text unter dem großformatigen Bild von Daniela Grabovac, geboren in Spittal an der Drau, zweite Generation, wie man so schön sagt.

Die Ausstellung «Unter fremdem Himmel» erzählt die Geschichte der jugoslawischen Gastarbeiter_innen in Österreich. Vom Zeitzeug_innengespräch übers Jugopopposter bis zur ORF-Doku, von privaten Fotoalben über Schul-Mitteilungshefte bis zur Kampagne gegen Rassismus wird hier versammelt, was jugoslawische Gastarbeitsgeschichte in sich trägt. Acht Euro Eintritt kann man dafür durchaus ein bisschen peppig finden, da sollte das Volkskundemuseum vielleicht noch einmal drüber schlafen. Aber gelungen ist die Ausstellung auf jeden Fall, und schön gemacht ist sie auch. Man lernt zum Beispiel, dass der ORF schon in den 70er Jahren erkannt hat: Um in einer Gesellschaft ankommen zu können, muss man auch willkommen sein. Ob diese «Zugvögel der Konjunktur» einmal «echte Österreicher werden», sagt uns eine Fernsehstimme im nostalgisch nasalen 70er-Jahre-Sprech, liege weder an den Behörden noch an den Jugoslaw_innen, sondern «an den Mitbürgern dieser zukünftigen Österreicher». Und man erfährt von der Wohnsituation der Arbeiter_innen, die «in Abbruchhäusern zwischen Bauern- und Wildpretmarkt» und «in Holzbaracken im 13. Bezirk mit Kaltwasser im Hof» unterkommen mussten, sodass ein Zeitzeuge sagt, es sei für ihn selbst kaum mehr vorstellbar, wie er das damals ausgehalten habe; es sei so furchtbar kalt gewesen in jenem Winter, in dem er nach Wien zurückgekommen war.

Bandscheibenprobleme und Porschefahren

Zitat unter dem Porträtfoto von Juro Bilobrk, der vierzig Jahre lang in Wien am Bau gearbeitet hat – unter anderem an der Errichtung der U-Bahn am Karlsplatz: «Damals war bei der Arbeit noch vieles händisch. Wir haben die Pflastersteine mit der Zange geschmissen, auch die ca. 20 Zentimeter langen. Heute ist meine Bandscheibe kaputt.» Kaputte Bandscheiben sind wahrscheinlich die Erinnerungsmale von vielen der Gastarbeiter_innen, sei es aus der Bauwirtschaft, der Haus- oder der Fließbandarbeit. Der Grazer Verein Jukus hat die Ausstellung zum fünfzigsten Jahrestag des «Anwerbeabkommens» zwischen Österreich und Jugoslawien erstellt. Es geht ums Arbeiten, ums Ankommen, ums Wohnen, ums Wahlrecht, um Rassismus, um die Frage der «Integrierung», um Freund_innenschaften und noch einmal ums Arbeiten.

Aber auch vom Feiern ist nicht zu wenig die Rede, von den Kulturvereinen zum Beispiel: Das Filmcasino in Margareten war 1979 bis 1988 das «Heim der Jugoslawen», für 15.000 Schilling monatlicher Pacht, die der Österreichische Gewerkschaftsbund übernahm (und die Jugoslawische Botschaft, erfährt man, sponserte einen Filmprojektor). In der Praterstraße 9 gibt es bis heute den Klub Jedinstvo; ein Brief an Kreisky ist hinter Glas zu lesen, datiert vom 22. April 1974: «sehr geehrter herr bundeskanzler, jugoslawische gastarbeiter senden ihnen von der jahresversammlung ihres klubs ‹jedinstvo› in wien herzliche gruesse wir sind ueberzeugt dass sich ihre regierung weiterhin um die verbesserung der arbeits und lebensverhaeltnisse der gastarbeiter in oesterreich be­mueht und besonders unsere initiativen fuer eine sinnvolle freizeitgestaltung (…) unterstuetzen wird.» In einem Video kann man Blaško Papić und Niko Mijatović lauschen, wie sie in den Jedinstvo-Klubräumlichkeiten in Erinnerungen über die Wiener Jugoliga schwelgen. Zum Beispiel vom Mile Stepanović erzählen sie, der von allen nur «Mile Porsche» genannt wurde – laut den beiden «der erste Jugo in Wien, der einen Porsche hatte». Wer den Nachmittag statt im Museum dann auch lieber mit Papić und Mijatović selbst verbringen möchte (was durchaus unterhaltsam zu sein verspricht!) – ihnen kann man bei einem Stadtrundgang «auf den Spuren der ersten jugoslawischen Vereine in Wien» am 8. Oktober (14 Uhr, Treffpunkt Mexikoplatz 21) lauschen.

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