Mehr (La) Sabotage!?Artistin

Musikarbeiter unterwegs … mit einer zugleich verstreuten und konzentrierten Band

Ein 2015 in Linz gestartetes Trio veröffentlicht sein in vielerlei Hinsicht starkes

Debüt-Album: Fest. Von Rainer Krispel (Text) und Mario Lang (Foto)

Von einem Fest hat dieser Dienstag im Spätherbst wenig. Es mutet an, als würde die gesammelte Niedertracht der derzeitigen Regierung und ihre Wähler_innen sich geballt im Grau und Dunkel manifestieren, getarnt geduckt im Nasskalten zwischen den Häusern, Wegen und Straßen auf ihre Opfer, uns alle, lauern, um zu versuchen, alle Lebensregungen vor lauter Gier und Angst gewaltsam zu unterdrücken. Ein Achterl im Weinhaus Sittl hilft. Umso mehr, als die Musikarbeiter auf eine verwandte Musikseele treffen, Stephan Stanzel. Dem in der einen Gürtelmusikhütte, dem Chelsea, ein von Krankheit und Absage angeschlagener, aber nicht ausgezählter Konzertabend bevorsteht, während wir in der anderen Gürtelmusikhütte, dem Rhiz, beim Soundcheck auf das Trio La Sabotage treffen, das dort Tourneeauftakt und die Präsentation ihres Debütalbums Fest feiert. Aber das Leben lebt, aber die Musik wird spielen. Marlene Fally, Nelle Hazod und Sara Trawöger erzählen über ihre Band und das Album, während der Tontechniker, seinerseits ein umtriebiger Musiker, das Mischpult verkabelt.

Just Wanna.

Das Trio formierte sich 2015 bei einem Girls Rock Camp in Linz, wo Ende November ihre Tournee in der dortigen Stadtwerkstatt endet. Marlene (Stimme, Laptop/Keyboard) und Nelle (Bass, Gitarre und Flöte) kannten sich schon von der Schule, Sara (Schlagzeug, Bass) komplettierte die Band to be. Erste Gigs in queer-feministischen Zusammenhängen, die sich durch das Camp ergaben, bestritten sie mitunter mit nur drei Songs. Ein frühes Engagement beim Weihnachtscorner im Alten Schlachthof Wels brachte Materialnot – «Wie lange sollen wir denn spielen?», «Ja, so 45 Minuten …» – und eine Klausur in einem alten Haus von Marlenes Eltern. La ­Sabotage, mit ihrem großartigen Bandnamen, der die popkulturell so wichtige Sabotage im Mund führt und noch dazu mit dem «richtigen» Artikel, haben aus learning by doing eine Kunst gemacht. Dass sie, wie Nelle sagt, «sich nicht leisten können, Songs nicht mehr zu spielen», hat zu einer konzentrierten Dichte ihrer Live-Sets und des Albums geführt. Habe ich, bei aller Sympathie, die erste Single von La Sabotage, Anfang 2017 bei Fettkakao erschienen, und ein erstes Konzerterlebnis in aller Musikkritiker-Unberührtheit als «insignifikant» verinnerlicht, war ihr Set beim Geburtstagsfest ihres Labels im Fluc ein anderes Kaliber. Jeder der Songs, etwa Face oder Even hatte einen ausgeformten Charakter, die gelegentlichen Instrumentenwechsel störten den Fluss des Gigs keineswegs, und die Unverstelltheit und das gewachsene Selbstbewusstsein der Performance der drei traf auf ein Publikum, das damit viel anfangen konnte. Die Musik als «Post Punk» zu bezeichnen, mag zwar zutreffend sein, Marlene meint aber, dass sie solche Musik zwar höre, aber sie nehme eher an, dass durch ihren «Punk-Zugang» als Band etwas Vergleichbares entsteht, wenn Ideen im Dialog mit einer sich entwickelnden Sicherheit an den Instrumenten stehen, die Möglichkeiten an Form und Inhalt gemeinsam wachsen und sich befruchtend vorantreiben. Marlene spricht davon, dass es interessant sei, heute Texte zu singen, die sie vor zwei Jahren geschrieben hat. Auf eine gewisse Schüchternheit der Band auf der Bühne angesprochen, die im vermeintlichen Gegensatz zu den Lyrics steht, die sie doch mitunter sehr verwundbar zeigen – Just Wanna etwa verhandelt «Periodenschmerzen» in sehr kräftigen Worten – meint die Vokalistin: «Im Gegenteil. Ich empfinde das als Gegenpol, mir ist schon wichtig, dass man etwas von sich gibt.»

Stop & Go.

Die Frauen von La Sabotage sind derzeit über drei Städte zum Studium verteilt, bei Even hört mensch Möwen, die Nelle in Rostock aufgenommen hat, ein Konzert der Tour führt nach Gießen, wo Sara nach einigen Monaten in Wien studiert. «Ned ohne» ist Tenor, wenn es um den Stellenwert der Band geht. Gemeinsame Zeit ist knapp, wird aber mit großer Konzentration genutzt. So probten La ­Sabotage neun Tage für die Aufnahmen von Fest, die sie dann in 4 Tagen mit Chris Janka samt Mix in dessen Studio absolvierten. «Voll schön», erinnern sie sich an diese Arbeit. Sara erzählt davon, wie das Stück ­Rabengasse entstand, nämlich dadurch, dass sie den Rhythmus, den ihr Trolley auf dem Pflaster machte, in Musik umsetzen wollte. «The rhythm of walking through the streets» ist eine der tollen Zeilen im Song, der eines von neun Beispielen ist, wie La Sabotage nah am und recht unmittelbar aus dem Leben eine Musik bauen, die dieses dann originär betrachtet und spiegelt. «Musik ist eine Kommunikationsart», sagt Sara mit ihren zustimmenden Bandkolleginnen. Spannend zu sehen, was La Sabotage in noch einmal drei Jahren damit zu sagen wissen werden.

 

La Sabotage: Fest (Fettkakao)

facebook.com/LaSabotageofficial

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