Mehr Leben vor dem Sterbentun & lassen

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«Als wir zu Hause waren, haben wir ihrem älteren Bruder erzählt, was los war, und ihn gebeten, es Romy nicht zu sagen. Zwei Minuten später stand sie bei uns und meinte: Maurus hat mir erzählt, dass ich sterben könnte. Stimmt das?

Wir sagten ihr, dass, wenn der Knödel in ihrem Kopf wachsen würde, sie dann sterben könnte. Dann meinte sie zu uns: Da habt ihr mir im Krankenhaus aber nicht die Wahrheit gesagt. Das war der Moment, wo ich beschloss, von nun an offen und ehrlich damit umzugehen.» So erzählt Annette, die Mutter der fünfjährigen Romy, den Tag nach der schrecklichen Diagnose: Gehirntumor.

Anfang Mai ist es Romy dann sehr schlecht gegangen. «Da begann sie uns mit einer Obsession Dinge, die ihr wichtig waren, zu diktieren, damit sie im Himmel dem Zuständigen die Aufzeichnungen zeigen kann. Sie wollte sicherstellen, dass es dort an nichts fehlt. Sie malte sich ihre Zukunft im Himmel aus wie eine Barbiewelt oder ein Schlaraffenland, wollte ihre Sticker mitnehmen, alles, was die Oma kocht, Kataloge und überhaupt alles, was ich mir wünsche von der Welt und vom Universum, so hat sie es diktiert.»

Romy ist Ende Juni gestorben, nur sechs Tage vor ihrem siebenten Geburtstag. «Genau zu Sonnwend und auf den Tag genau 18 Monate nach der Diagnose», erzählt ihre Mutter. «Einige Zeit davor hatte sie ein Bild gemalt: ein Haus mit Fenstern, die verhangen waren. Darin würden ihre Brüder schlafen, meinte sie. Bei ihrem Zimmer war das Fenster offen. Sie meinte, sie wäre nicht mehr in dem Haus. Sie sei ein Kristall am Himmel, von oben von der Sonne bestrahlt.»

Gehalten habe sie auch die Unterstützung einer Hospizbegleiterin. «Sie war eine großartige Stütze. Ich konnte sie Tag und Nacht anrufen. Als wir uns begegneten, ging es zunächst darum, einander kennenzulernen. Sie hat mit den Kindern gespielt, und wir sind oft gemeinsam spazieren gegangen. Später half sie mir auch konkret bei Entscheidungen, aber auch bei der Pflege von Romy. Sie hatte zum Schluss ja eine Schmerzpumpe, einen Katheter und eine Magensonde, wir mussten sie waschen und umlagern.»

Wie gut ist es, wenn es noch jemanden gibt, der auf einfühlsame, aber auch professionelle Weise einfach da ist! Jemanden, der trotz allen Sterbens für mehr Leben in diesen schwierigen Tagen sorgt. Aber eine solche Begleitung ist nicht überall vorhanden und auch nicht so einfach leistbar. Die betroffenen Familien sagen deshalb auch deutlich, was es braucht: einen Rechtsanspruch auf diese Hilfe, leistbar und auch in entlegeneren Gegenden Österreichs vorhanden.

«Mir ist sehr viel Mitgefühl entgegengebracht worden, aber ich habe auch die Angst von Leuten gespürt, diese Frage, die sie sich stellten: Wie gehe ich mit der denn um?», erzählt Annette. «Man ist ja immer noch ein soziales Wesen. Viele wissen halt nicht, was sie sagen sollen. Man hat ja immer das Gefühl, jemandem, dem es schlecht geht, helfen zu müssen, aber die Worte, die am meisten geholfen haben, waren, wenn jemand einfach ehrlich ‹Scheiße› sagte.»

Manchmal nimmt sie das Papier zur Hand, auf das Romy Haus und Fenster gemalt hat – mit einem Kristall am Himmel. «Ich habe immer noch drei Kinder. Eins ist eben schon gestorben, aber sie ist immer noch bei mir.»

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