Lokalmatadorin
Katharina Richter-Kovarik: Vermittlerin in Volkskundemuseum und Volkshochschule.
TEXT: UWE MAUCH
FOTO: MARIO LANG
Für Gruppen und Schulklassen bis neun Jahre: Das Angebot reicht für sie von Butterstampfen über Tiere auf dem Bauernhof, Blumen, Kräuter und Winterduft bis hin zu heimischen Märchen. Katharina Richter-Kovarik sitzt im Kulturvermittlungsraum des Volkskundemuseums in der Laudongasse, blättert das übersichtlich gestaltete Prospekt durch und strahlt über das ganze Gesicht.
«Das Museum ist mein zweites Zuhause», erklärt die Volkskundlerin und Übersetzerin für Spanisch und Tschechisch. «In diesem Haus durfte ich beruflich wie menschlich wachsen. Es gibt hier ständig neue Themen zu entdecken und zu bearbeiten. Und es wird mir auch viel Wertschätzung für meine Arbeit entgegengebracht.»
Neun Jahre.
«Als ich selbst neun Jahre alt war», erinnert sich Katharina Richter-Kovarik, «fuhren wir oft mit dem Zug über die March, zur Babitschka.» Ihre Großmutter lebte in der damaligen ČSSR, in einem malerischen Ort am Fuße der Kleinen Karpaten.
Ihre Mutter hatte im Jahr 1968 einen Wiener geheiratet. Auf die Genehmigung für ihre Ausreise hatte die Frau ein Jahr warten müssen. Bevor man sie endlich ziehen ließ, musste sie noch unterschreiben, dass sie auf alle Ansprüche als tschechoslowakische Staatsbürgerin verzichtet.
So war das damals, im «Kalten Krieg». Tochter Katharina wurde mehr oder weniger zur Kulturvermittlerin geboren. Sie ging in Erdberg zur Schule, doch die Ferien verbrachte sie immer «drüben» bei den Großeltern. «Dort war es für uns Kinder wunderschön.»
Private Osterweiterung, lange bevor dieser Begriff von den EU-Strateg_innen erfunden worden war: Ohne Anstrengung lernte sie Slowakisch, Deutsch und Tschechisch, wovon sie bis heute profitiert.
An politisch motivierte Feindseligkeiten an der Grenze kann sich Katharina Richter-Kovarik nicht erinnern: «Zu uns Kindern waren die Grenzbeamten immer sehr freundlich. Oft steckten sie uns Zuckerln zu, was unsere Eltern eher angespannt beobachteten.»
Auffallend war für sie damals, dass der Zug nach Bratislava nur aus der Lokomotive und einem einzigen Waggon bestand: «Das schaute lustig aus. Nur dass wir an der Grenze immer eine Stunde lang warten mussten, verstand ich als Kind nicht.»
13 Jahre.
Bio – saisonal – oder regional? Auf den Spuren von Soja! «Back to the Past» – kommt, wir machen eine Zeitreise! Auch für Gruppen bzw. für Schulklassen bis 13 Jahre haben Katharina Richter-Kovarik und ihr Team aus der Kulturvermittlung einiges anzubieten.
Spannend ist auch ihre eigene Zeitreise: «Als ich selbst ein Teenager wurde, habe ich allmählich mitbekommen, dass es doch einige Unterschiede hüben wie drüben gab.» Persönliche Kränkungen waren in ihrer Erinnerung zum Glück die Ausnahme.
Im Gegenteil, früh wuchs das mehrsprachige Kind in die Rolle der zu Rate gezogenen Vermittlerin: «Im Gymnasium war ich schon exotisch. Manchmal wurde ich von Lehrer_innen gebeten, für sie etwas zu übersetzen. Öfters hielt ich ein Referat, etwa über die Gemeinsamkeiten der beiden Städte Wien und Bratislava. Dabei haben mir übrigens auch meine Eltern geholfen.»
Europa war bis zu ihrer Matura streng in zwei politische Blöcke geteilt, die sich scheinbar seit immer unfreundlich gegenüberstanden. Der Block, in dem ihre Babitschka zu Hause war, war aus hiesiger Perspektive der andere, der unbekannte, nicht zuletzt der bedrohliche. Es ist daher anzumerken, dass es Katharina Richter-Kovarik als Schülerin gelungen ist, den Erdberger Horizont weit über die March hinaus zu erweitern.
19 Jahre.
Demokratie, Demonstrieren, Stereotype, Flucht und Ankommen, Genderdebatte: Das sind die Themen, welche die Kulturvermittlerin Gruppen und Schulklassen bis 19 anbietet.
Nach der Matura lernte sie als Au-Pair-Mädchen in Barcelona Spanisch, dann studierte sie das professionelle Übersetzen sowie die europäische Ethnologie, ehe sie den netten und handwerklich sehr geschickten Herrn Richter heiratete. «Der war unser Nachbar im Dorf meiner Babitschka, und er war auch schon mein Sandkistenfreund.»
Mit 19-Jährigen arbeitet Katharina Richter-Kovarik heute auch in der Volkschochschule in Favoriten. Dort baut sie buchstäblich Brücken: «In den sogenannten Brückenkursen bereiten wir Jugendliche auf die Ausbildung für den Pflichtschulabschluss vor.» Die dauert zehn Monate und ist für viele, die Deutsch nicht als Muttersprache gelernt haben, keine leichte Hürde.
«Das Schöne an meiner Arbeit», betont die Kulturvermittlerin am Ende, «ist auch, wenn mich Jahre später Menschen ansprechen und sich bedanken, dass ich ihnen eine Freude und dazu Erkenntnisgewinne bereiten konnte.»