Aspekte des Stepic-Abgangs
Herbert Stepic, seit 1987 im Vorstand der Raiffeisenzentralbank und zuletzt General der RBI, tritt zurück – offiziell wegen des Geredes um ein Investment, das er in Singapur tätigte, dem Aufsichtsrat verschwieg und das nicht zu den Werten der Genossenschaftsbewegung passe. Auf jeden Fall sei er unschuldig, er wolle Schaden von Raiffeisen fernhalten, sagt Stepic. Nur auf den ersten Blick erstaunlich: Raiffeiseneigene Medien wie «Kurier» oder «News» prügeln auf den Banker ein – das System wird nicht in Frage gestellt.
Ist es eine Ironie? Herbert Stepic ist Sammler afrikanischer Kunst und verfolgt aufmerksam afrikanisches Geschehen in kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Belangen. Er wird gehörig zusammengezuckt sein, als er dieser Tagen den Medien entnehmen konnte, dass angeblich in Uganda Menschenopfer wieder en vogue seien und diese Opfer vor allem dafür erbracht werden, Götter, Hexer oder wen auch immer gnädig für einen finanziellen Erfolg im Geschäftsleben zu stimmen. Hat sich Herbert Stepic zurückgelehnt und gefragt: «Bin ich ein Menschenopfer, das von meinen Kumpanen dargebracht wurde, um das System reinzuwaschen, unangreifbar zu halten, auf dass dann die Geschäfte umso besser laufen und die Profite sprudeln?»
Was war geschehen? Stepic hat als Spitzenbanker in den vergangenen Jahrzehnten gut verdient und sich nach einer Veranlagung umgeschaut. Für ihn das Normalste auf der Welt. Bei der UBS-Niederlassung Hongkong, nicht der Raika in Mistelbach, wurde er fündig. «Ein Standardprodukt», sagte der Banker und meint eine Operation, an deren Ende der Kauf dreier Wohnungen um 9 Millionen Euro in Singapur stand. Die UBS in Hongkong organisierte eine Briefkastenfirma in der Karibik, und die karibische Firma kaufte die Wohnungen in Singapur. «Um die Privatsphäre der Kunden zu gewährleisten», sagt die UBS, wenn sie nach dem Sinn derartiger Konstruktionen gefragt wird. Der Wortmüll soll nichts anderes als die Tatsache verschleiern, dass es wohl Kund_innen geben muss, die ein Interesse daran haben, Gewinne, die mit derartigen Investitionen verdient werden, versteckt zu halten. Der eine der Täter, der andere der Komplize.
Sauberer Konzern, unsauberer Stepic
«Offshore-Leaks» brachte den Namen Stepic ans Tageslicht, und es dauerte nicht lange, da wurde Stepic in österreichischen Medien, beispielsweise «Kurier» oder «News», massiv unter Beschuss genommen. Martina Salomon fragte im «Kurier» ganz konkret nach, ob die Erträge der Immobilien korrekt versteuert worden seien. Jetzt mag es manchen geben, der sagt, das sei höchst lobenswert, wenn der raiffeisennahe «Kurier» in dieser Causa so offen berichten kann, und ein gutes Zeichen für den Hygienezustand österreichischer Medien. Wer genauer hinsieht, kann erkennen, dass in dieser Angelegenheit von den Commandern für die Variante «Menschenopfer» entschieden wurde, um damit das Thema in den Medien zu besetzen: Selbst gegen einen «Eigenen» werde vorgegangen, Stepic als Person sei der Bösewicht, und das passe nicht zu den Werten der Giebelkreuzler, wurde vermittelt, der Konzern sei sauber.
Im Öffentlich-Rechtlichen: In der ORF-Talkshow «Im Zentrum» wurde die Komödie «Menschenopfer reinigt System» gezeigt. Moderatorin Ingrid Thurnher spielte ein wenig Empörung und brachte die Briefkastenfirmenkonstruktion Stepics in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Begriff «Gier». Ganz so, als sei es abgemacht und in einem kritischen Diskurs intellektuell redlich, über das angebliche Fehlverhalten des Herrn Stepic diskutieren zu lassen, das System Investmentbanking jedoch, das weltweit «Steuerschonung» verkauft, damit Milliarden verdient und gleichzeitig ganze Staaten in den Abgrund treibt, nicht zu hinterfragen. In dieser Debatte hätte Stepic gleich zwei Nummern: einmal als Kunde der UBS und einmal als Veranstalter in seiner Funktion als Giebelkreuzbankdirektor. Doch auch im TV das bekannte Muster: Dem angeblichen Fehlverhalten (das sich rein rechtlich erst zeigen muss) eines Einzelnen steht das sakrosankte System gegenüber, das nun umso stärker und erstrebenswerter zu erscheinen hat, weil es über Selbstreinigungskräfte verfüge.
Raiffeisenintern wird auch anderes kolportiert: Stepic sei gar nicht so unglücklich über das Drängen seiner Chefkollegen gewesen, denn durch seinen Abgang entledige er sich einer Fülle von Zores, die bald in Form von faulen Ostkrediten Thema werden könnten.
Stepic hat wegen seiner Briefkastenfirmen mittlerweile Selbstanzeige bei der Finanz erstattet. Das Geschäft, das in Hongkong startete und letzten Endes zu seiner Selbstanzeige führte, hätte er von diversen Investmentbanker_innen der Firma Raiffeisen in Wien genauso haben können. Bleibt die Frage, wie der Konzern mit der Ambivalenz umgeht, dass einerseits ein führender Funktionär der Firma Selbstanzeige wegen eines Geschäftes erstattet, das andererseits in ähnlichem Format in der eigenen Firma über den Ladentisch geht.