Mit 10 Stundenkilometer über das Spielfeldvorstadt

E-Rolli-Fußball in Österreich

Nicht nur Hilfsmittel, sondern auch Spielgerät: Beim E-Rolli-Fußball wird mit dem Rollstuhl geschossen und gedribbelt. Ansonsten gilt wie beim herkömmlichen Fußball: Das Runde gehört ins Eckige.

Foto: Wenzel Müller

Da eine Lücke. Martin Ladstätter beschleunigt sein Fahrzeug und stößt blitzschnell hinein. Bremst im nächsten Augenblick aber abrupt ab, weil sich ein anderer Fahrer ihm in den Weg stellt. Also Rückwärtsgang eingelegt und schnell zurück, um den Raum eng zu machen.

Zwei Verrückte, die sich nächtens auf dem Wiener Gürtel ein Wettrennen mit ihren Autos liefern? Nein, eine Momentaufnahme von einem Fußballspiel. Einem E-Rolli-Fußballspiel. Beim E-Rolli-Fußball sitzen, kurz gesagt, die Kicker_innen in ihren (elektrisch angetriebenen) Rollstühlen.

Wir sind in der Turnhalle der Hans Radl Schule in Wien-Währing. Hier trainieren wöchentlich Österreichs E-Rolli-Fußballer. Ein Sport, der in Frankreich, England und Skandinavien eine lange Tradition hat, bei uns allerdings erst vor zwei Jahren aufgekommen ist, bislang auch erst in Wien, in den Bundesländern fanden sich noch keine Nachahmer_innen.

Es ist der letzte Termin vor der Weihnachtspause. Heute wird nur gespielt, nicht trainiert. Jeweils zwei Mannschaften treten gegeneinander an. Eine Mannschaft besteht aus einer Torfrau bzw. einem Tormann und drei Feldspieler_innen. Normalerweise, hier in der Hans Radl Schule wird allerdings bloß mit zwei Feldspieler_innen gespielt, da das Spielfeld kleiner als üblich ist. Und üblich ist die Größe eines Basketballfelds.

Wie beim großen Bruder, dem «normalen» Fußball, kommt es auch beim E-Rolli-Fußball darauf an, das Runde ins Eckige zu bringen, wobei hier das Eckige durch zwei Torstangen markiert wird. Weitere kleine Abweichung: Der Ball mit einem Durchmesser von 33 cm ist etwas größer dimensioniert als sein herkömmliches Pendant.

Der E-Rolli ist nicht nur Hilfsmittel, sondern auch Spielgerät, daher mit einem Schutzgitter ausgestattet. Mit dem Rollstuhl wird geschossen und, na ja, gedribbelt. Technisch versierte Spieler_innen verstehen es, den Ball so zu führen, dass er praktisch am Rad klebt.

Jasna Puškari? spielt seit den Anfängen in Österreich, also seit 2012, in der E-Rolli-Fußballmannschaft. Bei diesem Sport können Männer und Frauen gemeinsam in einer Mannschaft spielen. Auch was das Alter betrifft, besteht keine Beschränkung, weder nach oben noch nach unten. «In unserer Mannschaft haben schon 10- und 60-Jährige zusammen gespielt», sagt sie.

Puškari? hat seit ihrer Geburt eine Muskelerkrankung und sitzt daher im Rollstuhl. Sie ist sehr sprachgewandt und arbeitet in der PR-Abteilung eines Unternehmens. An diesem Sport, erzählt sie, gefällt ihr, dass es nicht auf Kraft ankommt, sondern auf Geschicklichkeit und taktisches Verständnis.

Puškari? sitzt in und spielt mit einem speziellen Sport-Rolli. Die meisten ihrer Mitspieler_innen benutzen jenen Rollstuhl, mit dem sie auch im Alltag unterwegs sind. Der Sport-Rolli beschleunigt um einiges schneller, was ihr einen gewissen Vorteil verschafft – die Höchstgeschwindigkeit ist bei allen Geräten mit 10 km/h begrenzt.

Eckball, Freistoß, Elfmeter – die Begriffe sind die gleichen wie im herkömmlichen Fußball, ihre Ausführung aber meist etwas anders. So ist etwa der Elfmeter beim E-Rolli-Fußball in Wirklichkeit ein Dreimeter.

Der wesentliche Unterschied im Regelwerk: Bei den Rollstuhlfahrer_innen gilt die sogenannte 2:1-Regel, das heißt, ein Spieler darf nur von einer gegnerischen Spielerin attackiert werden, nicht von zwei oder mehreren, die müssen einen Abstand von drei Meter einhalten.

Eine Halbzeit dauert 15 oder 20 Minuten, je nachdem, auf welche Zeit sich beide Mannschaften einigen. Die Spieler_innen kommen eher infolge der mentalen als der körperlichen Anstrengung ins Schwitzen, denn letztere beschränkt sich im Grunde auf die Handbewegungen, mit denen sie ihren Rollstuhl steuern.

Manche Spieler_innen sind körperlich beeinträchtigt, andere auch geistig. Einer liegt eher im Rolli, als dass er sitzt. Und wieder ein anderer hört auch schlecht. All dies müssen die Mitspieler_innen jeweils berücksichtigen.

Welche unterschiedlichen Behinderungen haben die Spieler?, möchte ich gerne von Blerim Hoxha wissen. Der Trainer muss passen. Das weiß er nicht. Ja, sagt er, diese Frage habe er sich noch nie gestellt.

Auch dies ist eine Antwort, eine sehr sympathische zudem. Im Vordergrund steht hier die Freude am Spiel, der gemeinsame Spaß. Alle sind gleich. Alle sind Fußballer_innen.

Info: www.erollifussball.at