Mit Angelo und ­Sandra durch den 8.tun & lassen

Die Tour beginnt beim Baum des Lebens. «Wir nennen ihn halt so», bemerkt Sandra, die mit Angelo durch die Josefstadt führt. Es ist ein sonniger Frühlingstag, an dem wir, Nina Strasser und die Autorin dieses Beitrags, uns den 8. aus der Sicht der Backstreet Guides zeigen lassen. Hedi, ebenfalls bei den Guides, schließt sich uns an und Lilly dackelt auch mit (obwohl sie kein Dackel ist). Der Baum steht in einem der Höfe des Melkerhofs, einem der schönsten Innenhöfe Wiens und einer der wenigen, der offen zugänglich ist. Hier ist es ruhig, im Sommer schattig, im Winter windgeschützt, steinerne Bänke bieten Sitzgelegenheiten. Angelo weiß einiges über das weitläufige Gebäude zu erzählen. Sandra erklärt, was es mit dem Bzwo, wo wir auf dem Weg zum Melkerhof vorbeigekommen sind, auf sich hat. Das Bzwo in der Lederergasse ist das Beratungszentrum Wohnungslosenhilfe des Fonds Soziales Wien, dort erhalten Wohnungs- und Obdachlose relevante Informationen und bekommen – sofern sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen – geförderte Wohnplätze vermittelt.
Weiter geht es durch die Gassen. Zu dem einen oder anderen Haus gibt Angelo Historisches preis. Im Hammerlingpark nehmen wir Platz in einem Holzhüttchen und erfahren von Angelo, dass er in diesem Park über mehrere Jahre sein Winterquartier hatte (den Großteil des Jahres war er mit seinen Eseln in Südeuropa unterwegs.). «Wir waren eine ganze Clique, einige haben auch Hunde gehabt, wir haben keine Wohnungen gehabt und hier haben wir übernachtet», erinnert er sich, frühmorgens packten sie ihre Schlafsäcke und anderen Habseligkeiten zusammen, wichtig war, nichts zu hinterlassen, vor allem keinen Müll oder Schmutz – «so haben wir keine Probleme mit Anrainern oder der Polizei bekommen.» Sandra erzählt von ihrer obdachlosen Zeit als jugendliche Punkerin und weist auf die sich verändernde Stadtmöblierung hin. Die gusseisernen grünen Bänke seien alle weggeräumt worden, auf denen habe man gut schlafen können. Es wurden «Designer engagiert, damit sie Bänke entwerfen, die zu kurz sind oder in der Mitte mit einer Lehne, oder zu schmal, da kann man drauf nicht schlafen. Andererseits werden Hüttchen mit Sitz- und Liegemöglichkeiten aufgestellt und Hängematten aufgehängt, wo man dann auch schlafen kann.»
Auf dem Weg zur nächsten Station bleiben die Guides bei einer Tonne stehen, die sich als Wühlkiste für Gebrauchtes aller Art entpuppt. Angelo freut sich über eine ­hübsche Holzschatulle, die er darin findet. Hedi zieht ein anderes Schnäppchen ­heraus, Die deutsche Frauenbewegung, ein Buch mit sichtbaren Gebrauchsspuren, es ist wohl oft gelesen worden. Die Schatz­suche wird jedoch abgebrochen, als wir merken, dass eine wirklich große Spinne ihr Domizil in dem Container aufgeschlagen hat. Schnell weiter zum «Kulturzentrum», dem offenen Bücherschrank am ­Josef-Matthias-Hauer-Platz, dessen Inhalt sogleich inspiziert wird.
Den Abschluss findet die Tour bei der Josi, dem Tageszentrum für obdach­lose Menschen bei der U6. Dort verbrachte Angelo im Winter einst viele Stunden beim Schachspielen. Schach spielt er immer noch, zum Beispiel freitags am Platz der Menschenrechte vor dem Museumsquartier beim öffentlichen «Schach Jour Fixe», das die Schach-Aktivistin Kineke Mulder organisiert.

 

Backstreet Guides – Grätzltouren
Stadtführungen zur Thematik Wohnungs- und Obdachlosigkeit, geleitet von ehemals obdachlosen Menschen

Kontakt: office@backstreet-guides.at
Info: www.backstreet-guides.at

Preise: freie Spende,
empfohlen:

Normal 17 Euro/Person
Gruppen (ab 10 Personen):
Studierende je 14 Euro
Pensionist_innen je 13 Euro
Schüler_innen je 10 Euro
Sonstige Gruppen: nach Vereinbarung

Die Touren finden bei jedem Wetter statt.