Mit einem Hang zur NaturArtistin

Grammy-nominierter Musiker Manu Delago ist artist in residence der Saison 2023 – 2024 im Wiener Konzerthaus (Foto: © Jana Madzigon)

Der Tiroler Manu Delago bezaubert mit einem Musikinstrument des 21. Jahrhunderts die Welt. Mit seinem Hang tourte er schon auf über 3.000 Meter. Diese Saison tauscht er die Berge gegen die Hauptstadt.

«Schöne Musik!» ruft eine Stimme von rechts hinten. In der ersten Reihe wiegt sich jemand im Rhythmus zum elegischen Stück, welches das Trio gerade zum Besten gibt. Tosender Applaus am Ende dieser Ausgabe von Klangberührt, der Reihe im Wiener Konzerthaus, bei der Menschen mit und ohne Behinderungen, so das Format, sich zum kleinen musikalischen Abend treffen, die Musiker:innen ganz nahe am ­Publikum spielen und danach noch mit den Zuhörer:innen plaudern.
Die Atmosphäre fand er gut, wird Manu Delago später beim Gespräch im Hinterzimmer des Schubertsaals sagen. Ein schöner Auftakt für seine Saison als Portraitkünstler des Konzerthauses. Noch drei Auftritte im Haus werden bis Sommer 2024 folgen, bei denen der zwischen London und Tirol lebende Delago einige seiner vielen musikalischen Facetten ausbreiten wird.
Elektronische Stückln mit Beats spielt der in Innsbruck und London ausgebildete Schlagzeuger, Perkussionist, Handpan-Spieler und Komponist genauso wie analoge; Jazz-Poppiges ebenso wie Avantgardistisches; mit kammermusikalischen Ensembles genauso wie mit Orchestern; und gemeinsam mit Künstler:innen wie Sitar-Virtuosin Anoushka Shankar oder Popstar Björk, die er gerade wieder auf ihrer aktuellen Tour begleitet. Björks Konzert in der Wiener Stadthalle im September war für ihn quasi ein Heimspiel.

Reise ins Unbekannte

Mit ihr spielt Manu Delago diesmal Schlagzeug und andere Perkussionsinstrumente. Als Solokünstler ist er jedoch vor allem der Star of Handpan. Oder Hang, wie das Instrument von jener Firma genannt wurde, die es 2001 auf den Markt brachte und den Namen patentieren ließ. Ein sehr junges Teil also, das inzwischen von zig Firmen gebaut wird und – um nicht den Markennamen zu verwenden – Handpan heißt. Der Name ist Programm: Man schlägt mit den Händen auf eine Art doppelte Rundpfanne, zwei Halbkugeln, die aufeinanderliegen. Das klingt metallen und tendenziell sanft. Zum ersten Mal davon gehört hat Manu Delago 2003 von seinem Vater. «Wir haben uns dann gemeinsam eine bestellt» erzählt er. Infos gab es kaum. Youtube war noch nicht erfunden und auf der Website habe es keine Videos gegeben. «Es war ziemliches Neuland, ich habe nicht gewusst, wie man das hält, ob man steht oder sitzt, wie man es spielt». Von daher war es eine sehr spannende Reise, das zu lernen. Der junge Künstler sah die Chance, neue musikalische Welten zu schaffen. «Es war dann einerseits eine Notwendigkeit, dafür zu komponieren, weil es nichts gegeben hat, andererseits auch eine große Gelegenheit.»
2007 ging seine Nummer Mono Desire auf Youtube durch die Decke: Über fünf Millionen mal schauten Leute zu, wie Delago hinter Handpans sitzt und zeigt, was die Instrumente können, wenn man es so macht, wie er. Melodisch, sphärisch, melancholisch, hell, hart, wild, perkussiv, chillig – Delagos Geheimnis ist es vielleicht, eigenwillig und experimentell aber gleichzeitig zugänglich zu sein. Egal ob solo oder in einem seiner zahlreichen Projekte. Etwa auch mit Christoph Pepe Auer, der früher im Duo «Living Room» Bassklarinettenklänge zur Handpan kombinierte. Die Sängerin und Multi-Instrumentalistin Isa Kurz arbeitet seit Langem mit Delago. Auch Joss Stone hat schon mit ihm kollaboriert, oder der britische Sänger und Songwriter Douglas Dare. Mit ihm tritt er etwa bei seinem Konzert am 18. Oktober im Konzerthaus auf.

Irgendwie fühlt man sich immer hypnotisiert. Nicht nur, weil die Musik dazu prädestiniert ist. Vielleicht auch, weil es immer noch um etwas anderes geht. Manu Delago strebt das Gesamtkunstwerk an. Da lässt er schon mal aufpoppenden Popcorn-Mais den Beat zu seinem Schlagzeugspiel vorgeben («Pattern Pulse Popcorn»), oder die Videos ganzer Alben nur in der Natur spielen. Überhaupt scheint es, als würde er hauptsächlich in der Natur spielen, wenn er nicht gerade auf einer Bühne steht.
Eine Umwelt des Klanges, in der Sounds von außen mitgenommen werden, verschiedene Musiker:innen unterschiedliche Einheiten bilden, das Visuelle eine eigene Rolle spielt und Aspekte des Zusammenlebens mitgedacht werden. «Ich versuche, nur Musik zu veröffentlichen wo ich das Gefühl habe, dass sie einzigartig ist, in irgendeiner Form. Das muss nicht zwingend auf Harmonie oder Melodie bezogen sein, es kann ein Konzept sein, eine Idee.»

Naturverbunden

Der Film Parasol Peak (2018), zum Beispiel. Ein Projekt von Delago, sieben Musiker:innen, einer Mini-Filmcrew und den Tiroler Alpen. Chello, Trompete, Hang, ein paar weitere Instrumente. Nicht zu laut, natürlich unplugged. Bäume, Helme, Karabiner, Eispickel, Taschenlampe … alles gibt Klang her. «Es war extrem. Wir sind geklettert, waren am Gletscher über 3.000 Meter, es war eiskalt, jeder und jede musste sein Instrument tragen. Es war viel Menschlichkeit, Anstrengung, gegenseitiges Helfen. Eines der schönsten Projekte, die ich je gemacht habe» sagt er heute dazu.
Auch das Album Environ Me von 2021 ist eine Idee von Natur- und Klangraum, die auch Elektronik wieder miteinbezieht. «Das Konzept war, dass der Sound der Umgebung und auch Videos in die Musik einfließen», erklärt Delago. Jeder Track entspricht einem Element – Wasser, Feuer, Tiere, Pflanzen und so weiter. So hört man in der Nummer Liquid Hands Wassergeräusche. Der Song entwickelt sich von plätschernden Handpanklängen zu einem treibenden elektronischen Dancetrack und wieder zurück. Ein Kunstwerk, das auch den Schutz dieser Natur thematisiert.
Mit der «ReCycling Tour» hat Manu Delago das Thema Klimaschutz dann auf die Spitze getrieben – beziehungsweise auf die Räder. Zweimal absolvierten die Musiker:innen eine Fahrrad-Konzerttournee. Heuer ging es von Innsbruck nach Amsterdam. From the Alps to the North Sea heißt denn auch ein Lied von Delago und Isa Kurz, die es singt. Mit speziellen Anhängern zogen sie das Gepäck, Equipment wurde mit Solarpaneelen gespeist, Verpflegung vegetarisch zubereitet, Müllreduktion gelebt. «Man ist mit Rad natürlich schon regional beschränkt, aber ich tüftle gerade, wie man das ausweiten kann, zum Beispiel in Kombination mit Zug» sagt er.
Vielleicht am besten im Nachtzug, um die Fahrt gemütlich zu verschlafen. Wem das schwerfällt, dem sei das Album Nightliner (Delta Sleep Reworks) ans Herz gelegt: siebeneinhalb Stunden Schlafmusik, kuratiert von Manu Delago. Klingt fast zu gut, um dabei ­einzuschlafen.

www.manudelago.com