Mit Hammer und MeiselArtistin

Die Bildhauerin Ulrike Truger sieht sich gerne als linke Künstlerin

Kein Material passt besser in den öffentlichen Raum als der Stein. Und so wird das scheinbar starre Medium zu einem extrem politischen Feld. Ulrike Truger hat etwa mit ihrem Marcus-Omofuma-Stein vor dem Museumsquartier einen gesellschaftlich marginalisierten Platz an der Schnittstelle von Kunst und Kommerz geschaffen. Heuer feiert sie 30 Jahre als freischaffende Künstlerin. Und der Augustin feiert ihr Engagement.Es ist ein nieseliger Novembertag. Dennoch lässt sich unter dem Vordach des Ateliers noch recht gut arbeiten. Es ist der Künstlerin anzumerken, dass sie ihren Meisel bei so einem Wetter nur ungern zur Seite legt. In ihrem Atelier im Wiener Prater kommt der Augustin dennoch in den Genuss eines Gesprächs mit ihr. Die sowohl außen als auch innen pompös wirkenden „Bildhauergebäude (sic!) des Bundes“ waren zur Weltausstellung 1874 errichtet worden. Danach widmete sie Franz Joseph aufgrund der großen Nachfrage an bildhauerischen Produkten im Zuge des Ringstraßen-Baus den BildhauerInnen. Zu dieser Zeit wurden die Ateliers nicht mit betriebswirtschaftlichen Kriterien bemessen. Die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), heutige Eigentümerin, stellt die Ateliers allerdings zunehmend als unfinanzierbar in Frage. In Kürze soll Truger sogar ein laut BIG „kunstförderndes Wirtschaftsbüro“ als Nachbar bekommen, obwohl die Ateliers eindeutig der Verwendung durch KünstlerInnen gewidmet sind. „Die werden keine Freude mit mir haben, ich werde ziemlich viel hämmern“, lächelt sie widerständig.

1983 wurde ihr, als bis heute einzige Frau, ein Bildhauer-Atelier (sic!) des Bundes zugesprochen, dennoch sieht sie die Bildhauerei nicht als Männerdomäne. Frauen in der Bildhauerei habe es schon in den mittelalterlichen Domwerkstätten gegeben, allerdings wären sie bei der männlich dominierten Kunstgeschichtsschreibung eben vergessen worden. Darüber hinaus ist das Gebären einer Skulptur aus dem Stein für sie ein zutiefst weiblicher Akt: „Gewisse Spuren vom Felsen wie Bruchflächen oder Kanten sind so schön, wie ich sie selbst nicht erzeugen könnte, und so fließen sie in meine Werke ein oder sind sogar Ausgangspunkt.“

Als Bildhauerin beweist Ulrike Truger ein beeindruckendes Gefühl für Räume: Sei es die Aufstellung ihrer Werke im wild wuchernden Garten des Ateliers im Prater, sei es das Atelier selbst, für das sie ein eigenes räumliches Konzept umgesetzt hat oder sei es ihr renovierter Vierkanthof im Südburgenland, den sie liebevoll-südländisch „Casa“ nennt. Der wichtigste Raum für eine Künstlerin ihrer Sparte ist aber sicher der öffentliche, in dem sie um Platz für ihre Kunstwerke kämpft.

Öffentliche Stimme für den Geknebelten

So bemühte sie sich für den Marcus-Omofuma-Stein vergeblich um eine Unterstützung und Kooperation mit der Stadt Wien. Für das Gedenken an den illegalisierten Menschen stellte sie die Skulptur schließlich ohne Genehmigung auf, und zwar vor der Wiener Staatsoper. Nach einem Abtragungsverfahren durch die Baupolizei fand der Gedenkstein für den bei der Abschiebung zu Tode gekommenen Nigerianer seinen endgültigen Platz vor dem Museumsquartier, an der Ecke zur Mariahilfer Straße. Mit dem Standort ist Truger durchaus zufrieden: „Der Stein steht jetzt am Schnittpunkt zwischen Kultur und Kommerz, wie ein Stachel, als Symbol für ein Thema, das in unserer Gesellschaft Platz haben muss, wie auch der Stein im Stadtbild Platz haben muss.“

Bereits die Beschaffung des Materials gestaltete sich als schwierig. Den Granit aus Zimbabwe, den sie in Carrara (Italien) gefunden hatte, musste sie über Afrika, Italien und die Schweiz nach Österreich importieren. Die Arbeiten am Stein mit der Trennscheibe, vulgo „Flex“, erwiesen sich psychisch und physisch als extrem anstrengend. Diese Einschnitte seien die Symbole für Omofumas tödliche Fesseln. Schon bei der Arbeit am Modell für den Stein habe sie „eine unheimliche Wut“ bekommen. Den Kampf um die Aufstellung des Marcus-Omofuma-Steins begleiteten Drohungen gegen die Künstlerin und oftmalige Beschmierungen der Skulptur. Dennoch blickt sie gerne auf das Projekt zurück: „Es war nicht einfach, das durchzustehen. Aber ich habe vielen Menschen damit Mut gemacht. Ich glaube, dass das Projekt sehr gut gelungen ist.“

„Ich bin links“

Eine ähnlich unerwünschte Skulptur von Truger ist die Wächterin, die bereits am 11. Dezember 1993 beim Lichtermeer in Ulrike Trugers Geburtsstadt Hartberg (Steiermark) anlässlich des Briefbombenattentats an Pfarrer August Janisch präsent war. Als Reaktion auf die Angelobung der ersten schwarz-blauen Regierung im Jahr 2000 stellte sie die Wächterin vor dem Burgtheater mit Blick zum Parlament auf. Ihren endgültigen Standort sollte die Wächterin laut einer Vereinbarung mit der Stadt Wien auf dem Minoritenplatz bekommen. Doch der sonst in entscheidenden Situationen so schweigsame Kanzler Schüssel protestierte in diesem Fall auf das heftigste im Rathaus, worauf die Wächterin vor dem Burgtheater bleiben musste.

Auf die Frage nach ihrer politischen Gesinnung lässt Ulrike Truger auf alle Fälle keine Zweifel: „Ich bin links, ganz sicher, wenn ich auch in keiner Weise parteigebunden bin.“ Ihr Vater war bis 1968 Mitglied der Kommunistischen Partei, und so genoss sie ihre Sozialisierung in kommunistischen Jugendorganisationen und ist mit den Ideen und Visionen einer linken Bewegung bis heute verbunden. Ebenso deutlich beantwortet sie die Frage, ob sie sich selbst als Feministin sieht: „No na, Maskulinistin werd‘ ich sein“, zitiert sie eine Gesinnungsgenossin.

Frauenbilder: Flucht und Entführung

Dem entsprechend will sie auch mit ihrem Werk „Elisabeth: Zwang – Flucht – Freiheit“ ein Gegenbild zum gängigen Sissi-Klischee schaffen. Die drei Seiten der Skulptur stehen für die Ambivalenz ihrer Persönlichkeit, der Fächer für den Zwang, der Mantel für die Flucht und der Flügel für die Freiheit. Nach einer kurzzeitigen Ausstellung vor dem Künstlerhaus kaufte die Gemeinde Wien die Skulptur 2001 und einigte sich mit der Künstlerin auf den Aufstellungsort vor der Karlskirche. Truger war mit dem Standort sehr einverstanden, da die Skulptur nicht weit von ihrem Gegenbild im Volksgarten war und die Karlskirche auch ein gutes Machtsymbol darstellt.

Doch nach dem Umbau zum so genannten „Kunstraum Karlsplatz“ war „Elisabeth“ plötzlich verschwunden. Trotz anders lautender vertraglicher Vereinbarungen wurde der Stein vor der Hermesvilla in Lainz aufgestellt. „Jetzt ist sie genau dort, wo ich sie nicht haben wollte: Auf der Wiese, im Klischee. Ich wollte sie als politische Frau im Zentrum“, ärgert sich Truger und kündigt an, diesen Vertragsbruch der Stadt Wien auch rechtlich zu bekämpfen. Den Umgang mit ihrem Werk sieht sie als symptomatisch für ein patriarchalisches Gefüge, in dem Frauen, die Platz in der Öffentlichkeit einfordern, nicht erwünscht sind. Auch im ach so roten Wien ist es also selbst für eine deklariert linke Künstlerin nicht leicht: „Ich habe schon das Gefühl, dass mir hier Schwierigkeiten gemacht werden.“

30 Jahre Stein

Ulrike Truger fand ihren Weg zur Bildhauerei nicht direkt. Sie studierte zuerst Mathematik, brach dann das Studium ab und wurde Photographin für die „Arbeiter-Zeitung“. Dabei gestaltete sie immer wieder Objektkästen, die irgendwann einmal mehr plastisch als fotoflach waren. So entstand ihr Wunsch, auf der Akademie Bildhauerei zu studieren, aber erst nach dem Ende ihres Studiums entdeckte sie ihr Medium, den Stein. Dieses Jahr feiert Ulrike Truger ihr 30-jähriges Jubiläum als freischaffende Künstlerin, kommendes Jahr feiert sie 30 Jahre Arbeit mit dem Material Stein, mit einer umfassenden Ausstellung im Künstlerhaus im Sommer 2007.

Einen kleinen Vorgeschmack auf das Gefeiert-Werden konnte sich Ulrike Truger bereits vergangenen September holen, als sie Petra Unger zur Präsentation ihres Buches „Wiener Frauenspaziergänge“ einlud, als lebendes Denkmal zu fungieren. Was für ein das Gefühl das war? „Es war schön und angenehm, mit meiner Arbeitskluft, Hammer und Meisel in der nobeln Säulenhalle des Parlaments neben der heutigen Nationalratspräsidentin Prammer zu stehen“, schmunzelt sie.

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