«Mit Leib und Seele»vorstadt

Lokalmatador

Regina Schweighofer bindet Blumen und mag die Menschen, die auf dem Markt einkaufen. Von Uwe Mauch (Text) und Mario Lang (Foto)

Zwei knackige Tulpen, dazu eine weiße Narzisse und drei lila Freesien, gerne auch die eine oder andere rote Ranunkel: Mit dem nötigen Fingerspitzengefühl und der ebenso erforderlichen Leidenschaft bindet Regina Schweighofer an diesem Frühlingsvormittag einen weiteren Frühlingsgruß. Ja, das ist jetzt genau die Jahreszeit, in der die gelernte Floristin so richtig aufblüht: «Da entsteht so mancher Strauß spontan, öfters aus einer Laune heraus.»
Seit 19 Jahren führt Schweighofer die «Blumenecke» auf dem Floridsdorfer Schlingermarkt. Was Menschen, die im 21. Bezirk nicht nur das Negative sehen wollen, als ein Geschenk betrachten. Schön zu sehen: Trotz der Konzentration auf ihre Arbeit hat die Blumenbinderin immer ein Auge auf die gerade Vorbeikommenden. Und sie lässt es sich nicht nehmen, freundlich zu grüßen. Auch jene, die nicht zu ihrer Stammkundschaft zählen.

Schlingernder Schlingermarkt.

Die orange angefärbelte «Blumenecke» ist zu jeder Jahres- und zu jeder Tageszeit liebevoll dekoriert. Sie ist ein Lichtblick, ein Versprechen für die Zukunft auf dem Schlingermarkt. Der Markt rechter Hand der Brünner Straße soll, so der Wille der Wiener Stadt- und der Floridsdorfer Bezirksverwaltung, wieder bessere Zeiten erleben.
Dieser Rettungsversuch ist dringend notwendig. Er ist so etwas wie die letzte Chance. Denn der schön von alten Gemeindebauten umrahmte Markt ist schon seit vielen Jahren kein Juwel mehr. Das veränderte Kaufverhalten respektive die Abwanderung der Kundschaft in Supermärkte und Einkaufszentren hat sichtbar Spuren hinterlassen. Die Standler_innen sind unter Druck geraten. Eingesessene Betriebe haben bereits aufgegeben, andere denken laut über ihr Zusperren nach. Die Stimmung ist daraus resultierend nicht die beste. Um es noch deutlicher zu sagen: Speziell zu Wochenbeginn wirkt der einzige Marktplatz im Flächenbezirk Floridsdorf oft wie scheintot.
Da kommt das Lächeln der Blumenbinderin gerade rechtzeitig. Sie hat nicht nur bei Frühlingsblumen einen Blick für das, was Synergien erzeugt. Sie vertraut auch auf den Wert ihrer Arbeit.
«Das Freudestrahlen der Kund_innen ist unser Applaus», erklärt Regina Schweighofer auf die Frage, was denn das Schöne an ihrem Beruf sei. Und während sie die Blumenstängel abzwickt und den bunten Strauß zusammenbindet, erzählt sie von jenem Floridsdorfer, der nach Kanada ausgewandert ist, von dort seine Mutter nach wie vor mit Blumen grüßen lässt und über all die Jahre zum treuen Kunden und lieben Freund herangewachsen ist.
Sie selbst ist in Stockerau aufgewachsen. Nach der Schule ist sie in einer gut eingeführten Blumengärtnerei in Korneuburg in die Lehre gegangen. Nach der Gesellenprüfung hat sie in verschiedenen Betrieben Erfahrungen gesammelt, ehe sie sich auf dem Schlingermarkt selbstständig gemacht hat. Diese Entscheidung hat Regina Schweighofer bis heute nicht bereut. «Der Handel mit Blumen hat mich schon als kleines Mädchen begeistert», erzählt sie. So habe sie der Freundin ihrer Kindheit öfters vorgeschlagen: «Spielen wir verkaufen, aber bitte im Blumengeschäft.»

Schöne Geschichte.

In ihrer «Blumenecke» gibt die Floristin vier Menschen Arbeit: sich selbst, ihrem Mann und zwei Mitarbeiterinnen. Ihren Mann, Norbert Miehl, hat sie übrigens beim Umbau des Marktstands kennengelernt: «Er ist gelernter Installateur und hat mich damals fachlich sehr gut beraten.»
War es Liebe auf den ersten Blick? «Vertrauen auf den ersten Blick», meint sie. «Zum Vertrauen gesellte sich die Liebe», ergänzt er. Im Gegenzug habe sie ihn – quasi im zweiten Bildungsweg – in die Geheimnisse des Blumengeschäfts eingeweiht. Die Chefin ist davon überzeugt: «Wir sind alle mit Leib und Seele dabei. Es gibt keinen schöneren Beruf als Floristin.»
Im Zuge der Arbeitsteilung ist sie speziell für das Aussuchen und Binden der Schnittblumen zuständig. Im Frühjahr arbeitet sie gerne «mit Blumen aus heimischer Produktion», im Sommer «mit bunten Wiesenblumen», im Herbst «mit schönen Beeren und Fruchtständen», und im Winter «mit Amarylis und Wintergrün dazu».
Am Marktleben schätzt Schweighofer, dass sich die Menschen noch etwas mehr Zeit füreinander nehmen. Und dass Blumen nicht fertig verpackt über eine Scanner-Kassa gezogen werden, sondern den Wünschen ihrer Kundschaft entsprechen dürfen. Mit ihren Stammkund_innen teilt sie Freude ebenso wie Leid, vom Wiegenfest über all die Feiertage bis hin zum Abschiednehmen. Blumenbinden ist so betrachtet mehr als ein Handwerk.
Übrigens sollte die Schwester der Floristin mit ihrer Prognose recht behalten: «Du wirst den Mann fürs Leben dort kennenlernen, wo du dich wohl fühlst.» Von ihrem kleinen Wellness-Ressort an der Ecke des Marktplatzes fühlen sich auch andere Menschen angezogen. Bleibt zu hoffen, dass das entgegen mancher Unkenrufe im Bezirk noch lange so bleibt.