Mitgehntun & lassen

Illustration: Thomas Kriebaum

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«Vor dem Termin hatte ich schon große Angst, da ich nicht wusste, was da auf mich genau zukommt. Durch die Begleitung war ich einfach sicherer. Während des Termins tat es gut zu wissen, dass jemand neben mir sitzt, und die Angst war weg», erzählt ein Mann aus Linz.
Aus unserer Studie über Barrieren in der Gesundheitsversorgung für Armutsbetroffene stach ein starker Wunsch heraus: Die Möglichkeit, dass jemand auf Amt, Behörde, Spital, Arzt oder Gesundheitseinrichtung begleitet, kurzum: dass «eine:r mitgeht». Die Begleitung hat sich als wichtige Strategie herauskristallisiert. Dabei geht es nicht um Beratung oder Vertretung, sondern um ein – stilles – Mitgehen. Die Situation ändert sich für Armutsbetroffene, wenn statt zwei drei Personen im Raum sind. Wenn jemand einfach mitgeht, macht das große Unterschiede: für die Betroffenen, die nicht ­alleine bleiben, für die mitgehende Person, die Einblicke in oft unbekannte Lebenslagen bekommt, und für die zuständige Person am Amt, die das eigene Verhalten stärker reflektiert. Besonders aber hilft es Personen in schwierigen Situationen. «Ich wurde zu einem für mich belastenden Termin begleitet. Die Begleitperson strahlte sehr viel Ruhe und Stärke aus, sodass ich mich im Vorgespräch schon beruhigen konnte. Ich konnte den Termin leichter durchstehen. Ich fühlte mich in meiner Person wertgeschätzt, verstanden und besser wahrgenommen», beschreibt eine junge Frau ihre Erfahrungen. Sozialamt, Arbeitsmarktservice, Pensionsversicherung, Gutachten, Arzttermine – all diese Orte und Situationen umfassen die Mitgeh-Angebote.
Dieses bewusste Begleiten ist jetzt österreichweit in einem Pilotprojekt ausprobiert worden. Beim «mitgehn» unterstützen Freiwillige als stille Begleiter:innen Menschen bei ihren Terminen auf Ämtern, bei Behörden oder in Gesundheitseinrichtungen. Die Ergebnisse sind sehr ermutigend. Durch diese Maßnahme werden Betroffene dabei unterstützt, besser zu ihren Ansprüchen zu kommen und Termine mit weniger Ängsten, Stress und psychosozialem Druck wahrzunehmen. Die Ergebnisse sind gleichzeitig auch verstörend. Denn sie zeigen, wie schnell man auf Ämtern schlecht behandelt wird, besonders wenn man ohne Geld und Macht ist.
Beschämung geht unter die Haut. Die stärksten Wirkungen äußern sich in schlechtem Stress und psychischen Belastungen. Demütigungen schneiden ins Herz. Die stärksten Zusammenhänge finden sich mit Bluthochdruck und Herzleiden. Missachtung drückt das Selbstvertrauen. Wir werden unsicherer und immer leiser. «Jetzt bin ich mutiger, wenn ich zur Gemeinde gehe», sagt eine Frau aus der Steiermark, die das Projekt «mitgehn» nützte.
Bei Terminen auf Ämtern kann man eine Vertrauensperson mitnehmen. Das darf die Behörde nicht verwehren. Nach einem Vorsprechen am Amt, bei dem die Betroffene nicht alleine war, erzählte der Sohn der begleiteten Frau: «Heute war das erste Mal nach einem solchen Termin, dass meine Mama nicht weinend nach Hause gekommen ist.»