Roman
«Sie haben dich hier trotz deiner Defizite genommen, und …» «Meiner Defizite?» «Ja. Deiner Defizite. Ich werde das nicht weiter ausführen. Du weißt, was ich meine. Du kommst aus schwierigen Verhältnissen, Das ist bedauerlich, aber so ist es nun mal.»
Wallace studiert Biochemie. Er ist der einzige Schwarze Student an dieser Universität im Mittleren Westen der USA. Das sieht man. Dass er aus einer Familie kommt, in der kaum Geld, wenig Zeit und keine Unterstützung für die Kinder da war, sieht man nicht. Oder nicht auf den ersten Blick.
Real Life ist eine Geschichte aus dem ganz normalen amerikanischen Uni-Alltag. Doch mit jedem noch so profanen Moment entwickelt Brandon Taylor dieses Gefühl der Beklemmung, wenn einer ständig am Kämpfen ist. Satz für Satz steht der Text unter Spannung, bleib ganz nah an Wallace, seinem Körper, seinen Gedanken, seinen Gefühlen, folgt seinem Blick: Wenn er den Laborkasten aufmacht und sieht, dass seine wochenlang gehegten Gewebekulturen zerstört sind. Wenn er auf die Party ein Essen mitbringt, das sich in diesen Kreisen irgendwie nicht gehört. Und wenn er Miller trifft. Miller ist schön und beliebt. Aber er kann manchmal nur mit Gewalt antworten. «Ich versuche, in der Welt zu sein», sagt Miller. «Ich versuche zu sein. Ich gebe mir Mühe.» Wallace und Miller, ist das denkbar? Ist da, vom Dach aus, im Morgengrauen, etwa ein Hoffnungsschimmer am Horizont zu sehen?
Brandon Taylor: Real Life
Piper 2021, 347 Seiten, 22,70 Euro