Moderne Hungerkünstler_innen & kulturelles PrekariatArtistin

Eine Bildhauerin erzählt von der Kunst des Überlebens

Mit Kunst den Geldbeutel füllen? Laut einer Studie aus dem Jahr 2008 leben 37 Prozent der Kunstschaffenden unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze. Veronika Krenn hat bei einer Bildhauerin nachgefragt, wie «prekäre Arbeit» im Kunstbereich aussieht und warum oft mehr Kreativität in die Geldbeschaffung fließt als in das Kunstwerk selbst.

Foto: Veronika Krenn

«Prekäre Arbeitsbedingungen können ganz schön an der Kreativität zehren», weiß Ina nach einigen Jahren als Künstlerin zu erzählen. «Man braucht Durchhaltevermögen und sollte nicht unter Existenzängsten leiden. Meistens wird Selbstausbeutung erwartet.»

Ina hat ihre Wohnung quasi zum Atelier umfunktioniert, um Fixkosten zu sparen, und versucht vermehrt, andere Ressourcen zu nutzen: Sie bewirbt sich für Künstler_innen-Residenzen, um intensiv arbeiten zu können. Ihre Wohn-Schlafzimmer-Wohnung hat daher durchaus den Charakter einer Mini-Galerie, es stehen Skulpturen und Objekte im Raum. Gerade hat eine Interessentin sich ein paar ihrer Werke angesehen, sie wird vielleicht etwas kaufen. Vor fast schon zehn Jahren hat Ina ihr Studium abgeschlossen, jetzt arbeitet sie hauptsächlich als Restaurateurin und Bildhauerin.

Die Künstlerin als Subunternehmerin

Es war nicht einfach am Anfang, erzählt Ina, die mit schweren Geräten hantiert: «Fast zwei Jahre lang habe ich vergeblich versucht, Aufträge zu bekommen. Als Frau haben die männlichen Auftraggeber mir die schwere körperliche Arbeit nicht zugetraut.» Schließlich gelang der Einstieg. Aber erst nach vier Jahren waren es genug Aufträge, um über die Runden zu kommen. Doch Ina trägt oft ein großes Risiko: «Einmal sollte ich einen Stein bearbeiten, den mein Auftraggeber ausgewählt hatte. Wenn der Stein aber dann poliert ist, sieht die Farbe anders aus, und dem Kunden gefiel der Farbton nicht mehr. Ich habe nur mehr einen Bruchteil meiner Arbeit bezahlt bekommen.» Da sie als Subunternehmerin meist die Aufträge nicht direkt mit den Kund_innen absprechen kann, kommt es wegen der «stillen Post» zu Missverständnissen. Sie muss dann aufpassen, dass sie nicht mehr bezahlen muss, als sie überhaupt für einen Auftrag verdienen kann. Für den Fall, dass ein Stein noch einmal geschliffen werden muss, können hohe Kosten auf sie zukommen.

Als kreative Selbständige hofft sie, dass am Jahresende die Einnahmen die Ausgaben übersteigen und genügend Gewinn übrigbleit, damit sie sich den Pensionsvorsorge-Beitrag noch leisten kann. Erreichen die Einkünfte aus künstlerischer selbstständiger Tätigkeit einen Mindestbetrag in Höhe der Geringfügigkeitsgrenze, kann sie aus dem Künstlersozialversicherungsfonds einen Zuschuss zur Pensionsversicherung beantragen. Was als künstlerische Tätigkeit anerkannt wird, ist aber eng begrenzt: «Wenn ich als Bildhauerin Skulpturen restauriert oder Kunst-Workshops gehalten habe, ist das nicht anerkannt worden. Als Künstlerin ist man aber auch auf solche Aufträge angewiesen, um seinen Lebensunterhalt – geschweige denn die künstlerische Tätigkeit an sich – überhaupt finanzieren zu können.»

Kreative Ausbeutung

Aber auch Angestellten-Dienstverhältnisse im Kunst- und Kulturbereich können ihre Tücken haben, erzählt Ina. Ein erfolgreicher Künstler bot ihr an, als seine Assistentin zu arbeiten: «Nach der Probezeit hat er mir nur eine geringfügige Anstellung und sonst freiberufliche Tätigkeit angeboten, als Stundenlohn zehn Euro.» Inas Versuch, einen höheren Stundensatz – 16 Euro – zu verhandeln, war nur kurzfristig erfolgreich. Nach einiger Zeit beschäftigte der renommierte Künstler dann doch lieber einen Praktikanten – für sechs Euro pro Stunde. Vielen jungen Künstler_innen erscheint es als große Chance, für einen renommierten Künstler zu arbeiten. So gibt es immer wieder jemanden, der sich zumindest eine Zeitlang darauf einlässt. Nach diesem prekär angestellten Jahr konnte sich Ina ihren Pensionsversicherungsbeitrag nicht leisten. Das Jahr hinterlässt somit auch eine Lücke in ihren Versicherungsjahren.

Inas Wunsch für die Zukunft, den sie vermutlich mit vielen anderen aus der Kreativbranche teilt: «Meine Kreativität würde ich gerne für meine künstlerischen Arbeiten einsetzen und nicht so oft dafür, wie ich meine Grundbedürfnisse decken soll. Aber meist gibt es zu prekären Arbeitsverhältnissen einfach keine Alternativen.»

Infos:

Im jüngsten Rechnungshof-Einkommensbericht 2014 sind die Zahlen aus 2011 für selbständig Erwerbstätige angeführt: Die niedrigsten durchschnittlichen Jahreseinkommen finden sich im Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung – sie betragen 7.861 Euro, nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge. Die soziale Lage von Künstler_innen ist prekär, wie schon eine Studie aus dem Jahr 2008 zeigt: 37 Prozent der Kunstschaffenden lebten im Erhebungszeitraum unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze. Auch wird darin sichtbar, dass der Zugang zum künstlerischen Beruf offenbar nicht mehr allen Gesellschaftsschichten möglich ist, denn der Anteil von Künstler_innen aus sozial schwächerem Umfeld ist in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen.

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