Monopol als Preistreibertun & lassen

Treibt die Ethanolproduktion den Zuckerpreis in die Höhe?

Im Bereich der Agrarprodukte hat Raiffeisen überall die Finger drinnen. Konnte man in den 80er Jahren noch von mehreren heimischen Zuckerbaronen sprechen, so ist mit der Agrana (Produktionsstandorte in Leobersdorf und Tulln) nur noch ein Monogarch übrig geblieben. Er wird verkörpert von Christian Konrad, Generalanwalt des Raiffeisensektors. Dieser agiert als Aufsichtsratspräsident des Zuckermonopols und sitzt zur Vereinfachung des Informationsflusses zusätzlich in den Aufsichtsgremien der deutschen Südzucker und der französischen Saint Louis Sucre, den beiden Top-Playern auf dem EU-Zuckermarkt.

Am 6. September hat Agrana lapidar eine Erhöhung des Zuckerpreises um 20 Prozent per Anfang Oktober mitgeteilt. Seltsamer- oder begreiflicherweise hat das in der an sich zur Skandalisierung neigenden heimischen Presse keinen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Das hat offenbar mit der Machtstellung der Raiffeisengruppe zu tun, die über diverse Töchter (darunter die seit kurzem von Ex-Vizekanzler Josef Pröll geleitete Leipnig Ludenburger Beteiligungen AG) zu 100 Prozent die Agrana beherrscht. Als Eigentümer, Kreditgeber und Top-Inserent hat der Giebelkreuz-Konzern Tagespresse und Fernsehen weitgehend in der Hand.

Lediglich im «Standard» fand sich folgender kritischer Einwurf zu dem Thema aus der Feder von Markus Meister von der entwicklungspolitischen NGO Welthaus Graz: «Dieser geplante Preisanstieg kann nur auf zwei Faktoren zurückgeführt werden. Einerseits auf die Markt- und damit Machtposition von Agrana. Der Zuckermonopolist beherrscht 90 Prozent des österreichischen Markts und kann auf stolze 130 Millionen Euro Gewinn aus den letzten drei Jahren zurückblicken. Andererseits ist diese Preiserhöhung Folge der Verknappung des Angebots. Johann Marihart, Chef des Zuckerkonzerns, weist dabei auf die Verwendung von Zuckerrohr für die Ethanolproduktion hin. Diese treibe den Preis in die Höhe.»

Weiter schreibt Meister: «Interessant ist dabei die Doppelrolle von Agrana selbst. Dieser weltweit agierende Konzern, mit besten Kontakten in die österreichische Politik, ist eine treibende Kraft bei der Produktion von Ethanol. Im Agrana Ethanolwerk in Pischelsdorf (NÖ) wird vorwiegend Weizen ‹verspritet›, aber es ist nahezu unerheblich, welche Lebensmittel für die Produktion von Agrartreibstoffen verwendet werden, weil die Verknappung eines bestimmten Agrarprodukts den Preis anderer Grundnahrungsmittel wie Mais oder Zucker beeinflusst.»

(zwiti) EU-konforme Sonderstellung

Im Fall des europäischen, auf nationale De-facto-Monopole aufgeteilten Zuckermarkts greift der Verweis auf die forcierte Ethanolproduktion zu kurz. Die seit 1. Juli 2006 in Kraft befindliche Zuckermarktordnung der EU (mit einer Laufzeit bis 2015) sieht als Kompensation für eine Einschränkung der Produktion für Zuckerrübenbauern und Zuckerindustrie Ausgleichzahlungen in der Höhe von 6 Milliarden Euro vor. Im Gegenzug bleibt ein vom Weltmarkt abgekoppelter innereuropäischer Zuckermarkt intakt – bei gleichzeitiger Einschränkung der bis 2006 stark subventionierten Exporte auf den Weltmarkt.

Wir haben es in Österreich jedenfalls mit einem geschützten und gestützten Markt zu tun, der von einem einzigen Monopolisten beherrscht wird. Agrana ist es in den vergangenen Jahrzehnten gelungen, die Produktion von ursprünglich acht auf zwei Standorte zu konzentrieren und die Rübenbauern durch die Vergabe von Quoten in der Tendenz zu reduzieren. Die gesamte Produktion und Vermarktung des Zuckers geht in Österreich völlig losgelöst vom Weltmarkt über die Bühne. Dieser wird vor allem von armen Ländern aus der Karibik und Afrika mit meist extrem niedrigen Produktionskosten beschickt.

Wenn der Weltmarktpreis aufgrund der steigenden Nachfrage (etwa explodierende Getränke- und Ethanolproduktion) steigt, berührt das die Agrana im selben Ausmaß wie unsereinen das Schnarchen von Herrn Konrad. In ihrem geschützten Schrebergarten wird die nationale Zuckerindustrie von der Entwicklung des Weltmarktpreises nicht im Geringsten berührt. Daher erscheint die aktuelle Preissteigerung durch nichts gerechtfertigt. Gleichzeitig fragt sich, wem der zusätzliche Ertrag zugute kommt, der mit diesem Schritt erwirtschaftet wird. Den Rübenbauern wohl kaum, weil sie nach der Zuckermarktordnung der EU bei fixierten Preisen rückläufige Quoten verkraften müssen.

Produktion und Vermarktung von Zucker findet in Österreich in einem geschlossenen Bereich statt. Selbst das Saatgut müssen die Bauern vom Rübensamen-Institut beziehen – einer 100-prozentigen Tochter der Agrana. Natürlich sind 30-fach überzogene Beraterhonorare und kontraproduktiv an verdummende Boulevardzeitungen vergebene Regierungsinserate ein gefundenes Fressen für eine Presse, die Erregung statt Veränderung schürt. (Daher sind «Wutbürger» in aller Journalisten-Munde!) Die veritablen Skandale bestehen jedoch in der vermeintlich rechtskonformen Bereicherung, die im Fall der Agrana auf der fälschlichen Berufung auf den Weltmarkt beruht.

Die exorbitante Preissteigerung wird nicht folgenlos bleiben: Kaum ein industriell erzeugtes Nahrungsmittel, in dem Zucker keine Rolle spielt. Entsprechend massiv werden die Auswirkungen der Zuckerteuerung auf die Inflation sein.

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