Musikarbeiter unterwegs … in gemieteten vier Wänden
Von Return Of The Bees sollte hier zu lesen sein. Das Release, die Live-Präsentationen dieses neuen Albums von Bernhard Schnur – verschoben. Wie so vieles dieser Tage. Text: Rainer Krispel, Foto: Mario Lang
Der apokalyptische Dystopiker in mir schreibt sich in Gedanken ein niederschmetterndes Wort-Requiem (geil, jetzt den ersten Killing Joke zu hören), in der die Interviews und Begegnungen mit Petra und der Wolf und mit Bernhard Schnur die letzten «klassischen» Musikarbeiter-unterwegs-Einsätze – unmittelbare Begegnungen mit Musikmenschen in großer körperlicher Nähe – auf lange Zeit, vielleicht überhaupt waren. Mario tät´ wohl lachen. Und das Supersuckers-Konzert am 9. März die letzte, schon von düsteren Vorahnungen gebrochene, Rock-´n´-Roll-Nacht as we knew it. Deren Eddie Spaghetti, Krebs-Besieger, tät´ wohl mit Mario herzlich mitlachen. Das wäre dann eine sehr schöne Musik, ein Lach-Duo, dann als Copyright freies Sample zur kreativen Weiterverwendung bereitgestellt.
We´re Gonna Fight.
Dabei wird bei den angerissenen Beispielen deutlich, etwas ist fundamental seltsam – es gibt die Musik, sie wurde gespielt, aufgenommen, es gibt teils industriell gefertigte Tonträger, digitale Files, wie auch bei neuen Alben von 5/8erl in Ehr´n, David und der Wolf, Gesangskapelle Hermann und, und, und. Aber weil der längst verinnerlichte und lange nicht mehr in Frage gestellte Ablauf «von oben» ausgesetzt ist – im Vorfeld von Veröffentlichungen soziales und konventionelles Medientrommeln, bewegte Bilder zur und von der Musik, Präsentationskonzerte, vor vielen Monaten geplante und fixierte Begegnung zwischen Künstler_innen und Publikum in kleinen und größeren Räumen, physische oder digitale Produkt-Manifestation, Geld gegen Kunsttransfer und je nach Resonanzboden und Budgetierungsgeschick machen wir das nach ein, zwei Jahren wieder – leckt der beunruhigende Gedanke an uns, es «gibt» sie irgendwie nicht mehr «richtig», die Musik. Aktionismus aller Orten, aber nur mehr im Netz. Nach dem Print-at-home-Ticket wird nun das Netz geflutet mit gutgemeinten Stage-at-home-Konzerten, und es wäre nicht Österreich, dass bei so etwas Naheliegendem, «Freigemeinem» wie Balkon/Fensterkonzerten tatsächlich unwidersprochen Autorenschaft behauptet wird/behauptet werden muss bzw. von einem Massenmedium «zugestanden» (siehe Artikel im News). Schon macht ein Kettenbrief die Runde, dass Musiker_innen systematisch einander die YouTube-Kanäle abonnieren sollen, März 2020! What took you so long? «There must be some way out of here/said the joker to the thief/There´s too much confusion/I can´t get no relief», (All Along The Watchtower).
Rise Above.
Das ist alles auf vielen Ebenen auch würdig und recht, und absolut verständlich. Gleichzeitig habe ich den Eindruck, dass die Reaktionen auf «die Krise» die Muster, die diese Krise über die gesundheitliche Bedrohung durch einen Virus zu einer solchen machen, weiterführen und weiter praktizieren, ungebrochen, unverändert. Gerade auch Musiker_innen und kreative Menschen, respektive deren Verwalter_innen. Hilfsprogramme für genannte Menschengruppen negieren im Grunde offensiv die tatsächlichen Lebenswirklichkeiten vieler Menschen aus diesen Gruppen, was wieder einmal die vielerlei, im Wortsinn unvereinbaren Wirklichkeiten zeigt, in denen wir, viel mehr von uns, als ich dachte, leben (mir barmt gerade sehr um verhungernde Möbelhäuser und Textil-Ketten). Währenddessen ist hinter den Kulissen das Gerangel um Livetermine, auf die alle, ab wann auch immer, hoffen und setzen, gewiss schon wieder mörderisch, keilt sich der/die «kleine» Selbstausbeutungs-Musiker_in mit Vertreter_innen multinationaler Musikvermarktungsketten. Der Markt reguliert gar nichts, der haut sich ab wie immer. Dabei bleibt die Frage ungestellt, was für eine Relevanz eine Musik, die vor der Corona-Krise geschrieben wurde, überhaupt noch haben kann. Eine Antwort schwant mir, als die Blasters One More Dance spielen. Die Musik, die ich mag, die mich berührt, war schon vor Corona nie einverstanden mit dem state of things. Dieser Tanz muss in einer Welt stattfinden, die es noch nicht gibt, die wir bauen müssen, immer hier, immer jetzt. Hier drinnen bis vermutlich wenigstens Juni werde ich endlich Gitarre lernen, sie hoffentlich spielen als ein «dispossessed reclaiming what is his», mein erster Song: «The sin of property we do disdain, no one has any right to buy and sell the earth for private gain.» (The World Turned Upside Down). Ich will die Musik zurück!