Musikarbeiter unterwegs … ans Wasser, ins Wasser!
Ernst Molden fügt seinem Werk einen Liederzyklus zum 20. Jubiläum des Nationalparks Donau-Auen hinzu. «schdrom» wird dem Anlass gerecht und trägt noch weiter. Von Rainer Krispel.
Foto: Mario Lang
Gerade ein Lebensgefühl, als säße ich inmitten des verstreuten Treibguts meiner Existenz. Die Kombüse schon funktionabel, die Kajüten detto, der Ausguck herrlich. Die Gewissheit, aus dem einen Hafen wahrscheinlich für immer ausgelaufen zu sein, bläht die Segel mit einem nahezu stürmischen Fahrtwind. Kurs: Umzug. Der dabei doch auftretenden Des- und Umorientierung wirken die geliebten Menschen kalmierend entgegen.
Musik ist alldieweil ein Kompass, verlässlich, fast wie gesungene und gespielte Seekarten, oder ein handgezeichneter Wegweiser durch den Sumpf, hilfreich sogar in noch nicht kartographierten Gebieten. Gerade kommt eine neue Robert-Rotifer-CD ins zu ordnende Haus («Not Your Door»), demnächst manifestiert sich die neue Dexys und für das immer emotionale Beute versprechende Auslaufen zwischendurch: Konzerte, Konzerte, Konzerte! Ein ganz großer Energie-, Zuversichts- und Gelassenheitsspender: «schdrom». 12 neue Lieder, eingespielt von Ernst Molden und einem Verband von Musiker_innen, «einem Ensemble» wie Molden selbst sagt, zusammengesetzt aus langjährigen Partner_innen des die letzten Jahre konstant produktiven Sängers und Gitarristen (Willi Resetarits – Stimme; Walther Soyka – Harmonika, Stimme; Sibylle Kefer – Stimme, Querflöte; Hans Wirth – Gitarren, Stimme) und den Neuzugängen Andrej Prozorov (Sopransaxophon) und Karl Stirner (Zither, Stimme). Dieses Ensemble findet eine musikalische Sprache, die das zunehmend vertraute, zugleich verlässliche und vielfältige Molden´sche Liederschreiber-Idiom neu klangfärbt, ein wenig anders, ein wenig (noch) reicher als zuvor. Über das Spiel von Prozorov, der klingenden Antithese zum Macho-Sax der 80er, sagt Ernst: «Da klingt etwas mit, was dort herkommt, wo die Donau hinwill.»
Es hat etwas, früh morgens in einen noch nicht lebensprallen Innenhof zu schauen, und «gaunz en da frua/san ma d fisch sümbadisch» gesungen zu hören, im ersten Lied «gaunz en da frua» auf «schdrom». Stunden später kann mensch dann verstehen, warum Babygeschrei so schön ist.
Gemma ens wossa (baby)
Molden, dessen schon ganz schön viele Lieder nahezu in ihrer Gesamtheit als detailreiche, oft behutsame, unendlich zärtliche, manchmal gekonnt und bewusst grobe, Menschen- und urbane Natur-Beschreibungen umrissen werden können, geht mit «schdrom» in die Vollen einer lebenslangen Obsession. Das von einer Zufallsbegegnung mit Carl Manzano (Ernst nennt ihn in den begleitenden Zeilen zum Album «Flussmensch»), dem Direktor des Nationalparks Donau-Auen, angestoßene «Auftragswerk» verlangte dabei vom Autor, «mehr ich zu sein», als in seinen Liedern ohnehin schon und gleichzeitig eine Sprache zu finden, die ausleuchtet: «was ist in der Höhle des Eisvogels?».
Bei Ernst Molden ist die Natur nie reines Idyll, sie ist (auch) dunkel, bedrohlich, unübersichtlich, die Begegnung von Mensch und Natur ist hier bestimmt kein schickes Outdoor-Lifestyle-Event. «dausnd göösn woen die beissn/und boed homs des züü erreichd» («dausnd göösn»). Die Musik fließt dabei mit einer Logik und in einem, Verzeihung, natürlichen, Klang (mit Produzent Kalle Laar und in Thomas Pronais burgenländischem Studio realisiert) so zwingend dahin, dass einen dennoch eine große Sehnsucht nach eben dieser Natur zu erfüllen beginnt. Dass die Au durchaus ihren Anteil an der österreichischen Geschichte hat, mag zwar nicht unmittelbar aus den Liedern sprechen, ist Molden selbst aber nur zu bewusst. Verlustierte sich seine adelige Verwandtschaft auf Gebirgshöhen, zog es Kronprinz Rudolf in die Au, sein finaler Wassergang hätte auch anderswo als in Mayerling stattfinden können … Die österreichische Sozialdemokratie hätte im Konflikt um Hainburg schon Jahrzehnte vor dem Unglück Faymann beinahe alles verspielt, wäre es damals ihren Betonschädeln gelungen, wie angedacht, tatsächlich gewerkschaftlich organisierte Arbeiter gegen die Besetzer loszuschicken.
Seither ist viel Wasser die Donau hinuntergeflossen, der Nationalpark Donau-Auen wird zunehmend als Selbstverständlichkeit wahrgenommen, längst kein Hotspot heimischer Naturbegeisterung oder des Bekenntnisses zu deren Schutz mehr. Ernst Molden: «Bei schönem Wetter sind 100.000 Menschen am Cobenzl, und vielleicht 1000 in der Lobau.» Ob «schdrom» daran viel zu ändern vermag, ist nicht die Frage. Die Musik und die Texte haben definitiv die Kraft und Qualität, selbst scheue Noviz_innen dorhin zu locken (ich spreche hier als bekennender Betonpunk!) und ihre eigenen Zugänge finden zu lassen. Nicht nur mit «schleppa» gelingt auf diesem elementaren Album darüber hinaus das Verhandeln von ganz elementaren Dingen. «dawäu dei söö flussaufweats foad/boed wiad mas nimmamea segn.»
Ernst Molden: «Schdrom», Monkey
Live – Molden/Resetarits/Soyka/Wirth (mit Die Strottern):
19. 6., Arena Open Air
www.donauauen.at