«Nach außen ein demokratisches System»tun & lassen

IG-Milch Obmann Grünzweil im Augustin-Gespräch

Im April 2015 wird in Österreich das System der «Quoten» in der Milchwirtschaft abgeschafft. Der Augustin sprach darüber mit IG-Milch Obmann Ewald Grünzweil.In einem Jahr wird es keine «Quoten» bei der Milcherzeugung mehr geben. Was bedeutet die «Quote» für die Milchbauern.

Den Begriff «Quote» kann man übersetzen mit «Lizenz zum Produzieren». Wer Milch produziert, muss über eine «Quote» verfügen, die genau festlegt, wie viel produziert werden kann; wird mehr produziert, so werden Strafzahlungen fällig, wird die «Quote» nicht erfüllt, so kann der Milchbauer die freibleibenden Mengen verleasen oder Teile der Quote verkaufen. Die «Quote» hat also einen Wert, mit dem Bauern kalkulieren können.

Was wird anders, wenn es die «Quote» nicht mehr gibt?

Die «Quote» wird im April 2015 durch rein privatrechtliche Vereinbarungen zwischen Molkereien und einzelnen Landwirten ersetzt. Was früher einen realen Wert hatte, wird es nicht mehr geben. Manche Bauern sprechen schlicht von einer kalten Enteignung. Und man kann sich auch leicht ausrechnen, wer bei Verhandlungen zwischen Molkereien und dem einzelnen Bauern das Sagen haben wird: logischerweise der Stärkere. In Österreich sind die beiden bestimmenden Organisationen im Westen die Berglandmilch und im Osten die NÖM. Beide sind fest in der Hand der Raiffeisenorganisation.

Aber die Landwirtschaftskammern sind doch per Gesetz gefordert, die Interessen der Bauern zu vertreten und durchzusetzen.

Das ist richtig, aber nur theoretisch. Denn: Die Molkereien sind per Statut ebenso Mitglieder der Kammern wie der einzelne Bauer. Das ist ein klarer Fall von Systemfehler. Wenn der einzelne Bauer beispielsweise ein Problem mit einer bestimmten Molkerei hat, so kann er sich an die Kammer wenden und dort um Rechtshilfe ersuchen. Dort wird er sehr schnell draufkommen, dass die Molkereien ebenso Mitglieder der Kammer sind, und er wird auch lernen, dass die Kammer nicht gegen ein Mitglied in Form einer Molkerei vorgehen wird. Letzten Endes haben wir es hier mit einem Demokratieproblem zu tun. Und es gibt die, die von diesem Demokratieproblem profitieren. Die Molkereigenossenschaften wissen genau, dass ihre Interessen vom starken Raiffeisensektor unterstützt werden. Künftig wird die bestimmende Macht bei den Molkereien liegen. Verkauft wird dieser Zustand mit dem Argument, dass eine Liberalisierung im Sinne der Bauern sei. Genau das Gegenteil ist der Fall – neoliberale Zustände werden festgeschrieben.

Und der ÖVP-Bauernbund, welche Positionen vertritt der bei der Abschaffung der Quotenregelung?

Der ÖVP-Bauernbund ist voll auf der Raiffeisenlinie zur Abschaffung der Quote. Ist auch logisch, denken wir nur an Jakob Auer, der ist in Personalunion hoher Raiffeisenfunktionär in Oberösterreich und gleichzeitig Obmann des Bauernbundes. Bauern, die nicht Mitglied beim ÖVP-Bauernbund sind, sind die Ausnahme. Auch das ist logisch, denn es besteht ein System – so höre ich es immer wieder von Kollegen in der Landwirtschaft – von Macht und Angst. Das liegt auch an der Vorgangsweise des Bauernbundes. Oft ist es so, dass der Nachbar den Beitrag des Bauernbundmitgliedes kassieren kommt. Man kennt sich, über Probleme wird gejammert, und scheinbare Argumente gibt es viele. Hier in Österreich ist es leicht, die Schuld an Problemen nach Brüssel zu verlagern. Dort laufen aber scharenweise die Lobbyisten der Milchwirtschaft herum, und die vertreten die Interessen der großen Player in diesem Wirtschaftssektor und nicht die Anliegen der einzelnen Bauern.

Nach der Papierform haben die Genossenschaftsmitglieder der Molkereien doch weitreichende Mitspracherechte.

Ja, aber wirklich nur theoretisch. Nach außen wird ein demokratisches System vorgespielt, im täglichen Geschäft haben die Geschäftsführer der Molkereien die Macht. Das fängt schon damit an, dass kritische Bauern nahezu keine Möglichkeiten haben, im Delegiertensystem der Genossenschaftsmitglieder mit ihrer Stimme zu Gehör zu kommen. Den Molkereien gelingt es, den Bauern vorzumachen, die genossenschaftlichen Molkereien seien ein sicherer Hafen, in dem die Bauern gut aufgehoben seien. Für ein neues Konstrukt braucht es Mut! Bauern, die aus dem System ausscheren, erfahren sehr schnell, dass sie dann vom alten System konkret bekämpft werden, und Schwierigkeiten lassen nicht lange auf sich warten. Wo die Milch zu welchen Bedingungen abgeholt wird, ist nur ein Beispiel.

Welche Alternativen gibt es?

Beispielsweise die IG-Milch als Alternative zum Bauernbund und die Freie Milch Austria als Alternative zu den Genossenschaften und jede andere Bank als Alternative zu den Raiffeisenbanken. Wir verwerten unsere Produkte selbst und sind nicht Teil einer Organisation, deren wirtschaftlicher Erfolg als Selbstzweck gesehen wird, sondern deren Ziel es ist, eine vernünftige, demokratische Milchwirtschaft zu organisieren.

Das Interview führte Clemens Staudinger

Info:

Ewald Grünzweil ist Obmann der IG-Milch, einer überparteilichen, eigenständigen Interessensvertretung für österreichische Milchbäuerinnen und Milchbauern und Gesellschafter der Freien Milch Austria, einer Milchverwertungsorganisation außerhalb des Raiffeisensektors.

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