NACHBAR_INNEN-STADT: Pinkeln auf trendy, quasi fast wild.vorstadt

«Ich würd’s ja versteh’n, wenn ma’ so was in den Ersten reinbaut. Aber hier im 16. – na ich weiß’ ja ned», meint der Mann, während er die 50 Cent von einem Besucher entgegennimmt und ihm den Weg weist. Allzu vielen «Bedürftigen» öffnen er und seine Kolleg_innen an einem durchschnittlichen Tag nicht die Tür.Dies liegt wohl auch daran, dass 300 Meter weiter im Huberpark eine kostenfreie Anlage steht. Unter der Woche bleibt es damit eher ruhig in der neu gebauten WC-Anlage am Yppenplatz. Nur die Vögelchen zwitschern. Es sind nicht die am Asphalt herumgurrenden Tauben oder auf der begrünenden «Überdachung» herumspringenden Spatzen gemeint – eines der Klos bietet ein besonderes Erlebnis: Umgeben von Vogelgezwitscher, Waldgeräuschen und Waldtapete, kann hier gefühlsmäßig sozusagen quasi fast «im Freien» gepinkelt werden. Diese Inszenierung des Klogangs als «Natur-Erlebnis» kann als Verarbeitung einer Sehnsucht nach Ursprünglichkeit und Freiheit verstanden werden. Denn im «wilden» Pinkeln stellt sich so manche und mancher als ein von Zwängen (z. B. der kulturell verankerten «Pflicht», ein bestimmtes Örtchen zum Pinkeln und Kacken aufzusuchen) befreites Subjekt vor. Und Freiheitsgefühle wirken beruhigend – «Befreite» haben keinen Grund, Vandalismus zu betreiben oder wegen nun 50 Cent Eintritt zu einem öffentlichen Raum zu «rebellieren».

Die 2015 um 330.000 Euro fertiggestellte WC-Anlage mit Licht-Installationen an der Außenfassade ordnet sich dabei auch gut in die Aufwertungsmaßnahmen des über die letzten Jahre hinweg neugestalteten Yppenplatz ein. Die alte – kostenfreie, damit tatsächlich öffentliche – Klo-Anlage, die zudem unter Denkmalschutz stand, wurde hierzu abgerissen. Auch am und über das Klo gentrifiziert es sich. Vielleicht ist im nächsten «Lonely Planet» von diesem Klo-Erlebnis zu lesen, dann kämen die Leute und noch mehr konsumstarke Touris nicht nur zum Einkaufen und Latte trinken, sondern auch zum Pinkeln am Yppenplatz vorbei.

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