Bei einer Standort- und Immobilienentwicklung im Bestand nicht automatisch an die Worte Mehrwert, Wertsteigerung, Wertschöpfung, Aufwertung etc. zu denken und dies vor allem nicht in einem monetären Verständnis oder einem der Renditesteigerung verstanden zu wissen, ist dieser Tage schon eine hohe Kunst. Dass es dennoch möglich ist, zeigen kleine und feine sowie behutsame und sozialraumorientierte Projekte, wie bspw. das international viel beachtete Pony Ride aus Detroit (ich habe an dieser Stelle schon davon berichtet) oder die Alte Samtweberei aus Krefeld, ein Projekt der «Montag Stiftung – Urbane Räume» in Deutschland oder die Entwicklungen auf dem «ExRotaprint»-Gelände in Berlin. Die Liste ist zwar (noch) übersichtlich, aber ließe sich fortführen.
Gemeinsames Merkmal dieser Projekte ist es, dass (leerstehende) Immobilienobjekte aus der gängigen Marktlogik herausgenommen werden und die Spekulationsspirale außer Kraft gesetzt wird. Der Fokus der Standortentwicklung liegt vielmehr in einer behutsamen Quartiersentwicklung. Behutsam meint hier, die Entwicklung und Unterstützung von Angeboten und Akteur_innen an diesem Standort, die sich aus den sozialräumlichen Bezügen und Bedürfnissen der Nachbarschaft generieren. Dann sind es eben der_die türkische Friseur_in und der_die Elektromeister_in und nicht die hippen, urbanen Akteur_innen der sogenannten kreativen Klasse, die üblicherweise dem Ort resp. der Nachbarschaft mehr Glanz und somit ein Aufwertungspotenzial verleihen sollen.
Interessant bei den beiden deutschen Bespielen ist auch der innovative Umgang mit Eigentum in diesem Zusammenhang: Um Grund, Boden und Immobilie aus der Logik des Marktes zu nehmen, wurde ein Erbbaurechtsvertrag geschlossen. Das Erbbaurecht als Instrument trennt Boden und Gebäude voneinander. Der Boden bleibt in diesen Fällen im Eigentum einer nicht profitorientierten Stiftung, und das Gebäude ist in Besitz einer gemeinnützigen Gesellschaft. Damit wird eine rechtliche Konstruktion geschaffen, die den Verkauf und Spekulationen verunmöglicht und eine langfristige und vor allem nachbarschaftsverträgliche Entwicklung des Standortes in den Vordergrund rückt. Prädikat: nachahmenswert!
Wencke Hertzsch