Es war rein zufällig, dass ich Emma und Joudi kennenlernte. Joudi war eine von 16 per Zufallsauswahl ausgewählten in Wien lebenden Frauen, die zu einem eineinhalbtägigen Beteiligungsformat, dem Bürger_innen-Rat «Frau sein in Wien», eingeladen worden war, den ich moderierte. Joudi ist Syrerin. Ihr Deutsch ist noch nicht gut, sie wollte aber unbedingt teilnehmen. Davon informierte mich der Vater am Telefon, in sehr gutem Deutsch, und bat, dass Emma, die zweite Tochter, mitkommen dürfe. Sie könne übersetzen. Die beiden jungen Frauen kamen und sie brachten uns zum Weinen als sie von den starken Frauen in ihrer verlorenen Heimat Kobani erzählten.Emma und Joudi luden mich zum Essen nach Hause ein. Ich lernte, dass die kleinen Spieße, die auf den Tisch kamen, Kebab heißen und die großen, die bei uns als Kebab verkauft werden, eigentlich Shawarma. Zwischendrin erzählen sie mir ihre Geschichte. Herr Afandi war 1971 nach Wien gekommen, um hier Medizin zu studieren. Obwohl er wenig Geld hatte, eine gute Zeit. 35 Jahre später ist er wieder hier. Mit seiner Frau und den vier Kindern. Mit 67 zwei Jahre zu alt, um als Arzt arbeiten zu dürfen.
Wir sitzen im Wohnzimmer und sie zeigen mir Fotos. Emma hatte alles noch fotografiert, bevor sie das Haus für immer verließen. Sie erzählen, dass sie hier im Fernsehen gesehen hätten, wie ihr Haus bombardiert worden war. Das machte es noch deutlicher, es gibt kein Zurück. Emma erzählt, dass sie und ihre Geschwister jeden Tag zurückdenken: «Könnt ihr euch erinnern, wie der das gemacht hat, jene das gesagt hat, wir dort und dort waren …?» Einmal lachen sie und gleich darauf weinen sie. So viel verloren, wieder bei Null anfangen. Joudi ist introvertierter als Emma, für sie ist es schwer, hier Freund_innen zu finden. Sie ist mit ihren Gefühlen noch in Kobani, Emma ist bereits hier angekommen. Das lässt sie auch schneller in die neue Sprache hineinwachsen. «Lernen und die Zukunft bauen, das ist jetzt das Allerwichtigste», sagt Herr Afandi. Joudi: «Es ist ein Trost, dass wir alle beisammen sind, das macht es leichter. Meine Schwestern und mein Bruder sind jetzt meine besten Freunde und Freundinnen.»