Nachmittage voller Tanz und GebrüllArtistin

Viel los bei den Projekttagen Doris und Freund*innen (Fotos: Theresa Rauter)

Performerin Doris Uhlich lud ins Tanz­quartier Wien. Augustin-Verkäufer:innen, Menschen von Forum Obdach Wien und von integration Wien hatten einiges – Lustiges – zu tun. Nicht nur Tanzen.

TEXT: RUTH WEISMANN

«Uuuhhh!», ruft Didi in den Tanzsaal. Und: «Jo, sogt’s ‹du› zu mir.» Rund 20 Personen stehen im Kreis in einem Saal des Tanzquartier Wien (TQW) und stimmen ein: «Uuuhhh!» Es ist Mitte Jänner, draußen weht ein eisiger Wind, drinnen machen wir Aufwärmübungen. Doris und Freund*innen hieß der einwöchige Workshop von Tänzerin und Choreografin Doris Uhlich, die für ihre intensive Körperarbeit bekannt ist. Etwa die legendären Nackttanz-Performances mit vielen, vielen Leuten auf der Bühne. ­Mitte Jänner hat sie Personen des Augustin, von Forum Obdach Wien und inte­gration Wien zum gemeinsamen Tanzen und Tun in die TQW-Studios geladen. Jeden Tag gestaltete eine:r andere:n Künstler:innen-Freund:in von Doris: vom Rollstuhlzerlegen bis zum kollektiven Schleimkochen.

Begegnungen im Tanzsaal

Heute steht Brüllen und Singen mit Didi Bruckmayr am Programm. Der aus Oberösterreich stammende Musiker spricht meistens Dialekt und sieht alles locker. «Wir ­machen ein paar Übungen, und wonn eich wos net gfreit, donn mocht’s es hoit net.» Während er erörtert, dass die ­Stimme ­unser erstes Instrument sei, wenn wir auf die Welt ­kommen, ­versucht er, aus dem Schneidersitz ­aufzustehen, ohne sich abzustützen. Ein sehr ­beweglicher Workshopteilnehmer hat es vorgemacht. Fast niemand schafft es. Auch Didi nicht.
Für Doris Uhlich ist es eigentlich Routine, Workshops zu halten. Es ist Teil ­ihrer künstlerischen Praxis, in der es immer um Begegnung geht. «Ich finde es spannend, Leute kennenzulernen und nicht zu fragen: Wie alt bist du, wo lebst du, was machst du, sondern einfach körperlich mit den Leuten zu kommunizieren. Das bringt uns auf ein Level, auf dem man sich anders begegnet als draußen im Alltag», erzählt sie im ­Gespräch auf der Couch vor dem Tanzsaal. «Es geht um Energie und ­Sensibilität, und ­darum, ­Begegnungen aufzuwärmen. Dann schaut man, was entsteht, ob man etwas ­Gemeinsames findet oder nicht.» Zum Beispiel beim ­Tanzen mit dem Raum – dem Thema des Vortages. Es sei darum gegangen, den Raum als Tanzkörper zu verstehen, so Doris. «Sich ­Prothesen anzulegen über den Raum, über ­Stühle, über Decken; ­diese Form von Begegnung mit Menschen und ­Objekten.» Und das zu Technosound. Über die bisherigen Projekttage sagt sie: «Die Stimmung ist spitze.»
Lyubov Leitner nickt. «Es gefällt mir sehr, ohne Frage.» Die Augustin-Verkäuferin ist immer gerne dabei, wenn es um Bewegung und Performance geht. Sie sei schon in der Schule sehr sportlich gewesen, erzählt sie. Was sie in den letzten zwei Tagen gemacht haben? «Wir haben viel getanzt. Ich mag das Tanzen, das Musik­hören, und ich mag es, neue ­Leute kennenzulernen», so Lyubov.
Auch Esther findet: «Es ist sehr gut.» «Ich liebe es: verschiedene Leute zu treffen und die verschiedenen ­Challenges zu machen, mit Menschen, die ­tanzen können.» Tanzen ist sogar quasi ­Esthers Markenzeichen. «Wenn ich ­Augustin ­verkaufe, tanze ich manchmal. Die ­Leute sind glücklich, mich zu sehen und zu ­sehen, wenn ich tanze.»

Gut gebrüllt

Auf Kommando von Didi brüllen alle laut: «Oasch!» Gelächter im Saal. «Super, und jetzt no amoi beschweren!» Alle: «Pensionsvorsorge: Woaaaaa, Oasch!» An Augustin-Verkäufer Jan Pisar ist ein Opernsänger verlorengegangen, wie sich bei der anschließenden Singübung zeigt. «Heute gibt es Musik, morgen kochen wir Schleim», erzählt Jan. «Ich finde das sehr gut», sagt er – und schmeißt sich wieder ins Gebrüll.

Doris und Freund*innen

Wer sich live dabei fühlen will: Ein Kurzfilm und Fotos des Workshops ist auf der Homepage des Tanzquartier Wien (TQW) zu sehen. Die Nachmittage wurden von Doris Uhlich und ihren Gästen aus der ­Performance-Szene, Didi Bruckmayr, Ann ­Muller, ­Philomena ­Theuretzbacher, Adil ­Embaby, ­Thomas ­Richter, Vera Rosner-­Nógel, Karin ­Ofenbeck, ­Katharina ­Zabransky und DJ Boris Kopeinig, gehostet. Die Teilnehmer:innen ­kamen von integration Wien, Forum Obdach Wien und Augustin. Ein Projekt von TQW und Forum Obdach Wien in Kooperation mit Hunger auf Kunst und Kultur.

www.tqw.at/