Immo aktuell (Mai 2024)
Rassismus am Wohnungsmarkt? Ja, den gibt es. Zum Beispiel, wenn ein «Gruber» schneller zu einem Mietvertrag kommt als ein «Asif». Das Projekt Homebase will Abhilfe schaffen.
«Und hier wollen wir noch eine zusätzliche Wand einziehen, um ein Extra-Schlafzimmer zu schaffen», sagt Kajal Valadbeigi und deutet mit den Armen die Ausrichtung der geplanten Raumtrennung an. Die junge Frau mit den orangen Ohrringen ist Leiterin des Projekts Homebase in Wien. Sie steht inmitten einer geräumigen Wohnung, aktuell 120 Quadratmeter Baustelle: Abgeklebte Böden, an einem Haken an der Wand hängen Maler:innenanzüge. Im Eingangsbereich stehen Farbrollen, Kübel voller Wandfarbe und Lack, eine Leiter lehnt neben Putzmittel und Arbeitshandschuhen. Daneben ein Stapel Rigipsplatten, wohl für die angedeutete Wand. Valadbeigi und ihre Kolleg:innen sind dabei, die erste Wohnung von Homebase zu sanieren. Wenn alles klappt, dann werden hier noch im Mai vier geflüchtete Frauen einziehen.
Homebase
Homebase ist ein Projekt des Wiener Vereins «Vielmehr für Alle!», der auch «PROSA – Projekt Schule für Alle» betreibt. Bei PROSA können junge Geflüchtete mit Unterstützung Basisbildungskurse besuchen und sogar einen Pflichtschulabschluss absolvieren. In ihrer Arbeit mit den PROSA-Schüler:innen habe sich gezeigt, dass es Geflüchtete ungemein schwerer haben, eine Mietwohnung zu finden, berichtet Valadbeigi. «Wir haben es alle nicht leicht am Wohnungsmarkt, teuer ist es für die meisten. Aber wer keinen klassisch österreichischen Nachnamen hat, hat es noch mal schwerer.»
Auch ihre Familie habe Fluchtgeschichte. «Obwohl ich in Wien geboren und aufgewachsen bin, merke ich selbst, wie schwierig es wird, wenn ich meinen Namen nenne.» Telefonate würden ganz normal laufen, bis die potenziellen Vermieter:innen am Namen eine Migrationsgeschichte erkennen wollen.
Lotto-Sechser?
Auf der Website von Homebase heißt es: «Wohnen ist ein Menschenrecht und muss allen Menschen zugänglich sein. Jedoch entscheiden Name, Herkunft und Religion viel zu oft, wer zu einem Besichtigungstermin eingeladen wird und wer nicht.» Dass dies keinesfalls nur ein subjektiver Eindruck ist, zeigen mittlerweile umfangreiche Untersuchungen: so etwa ein Studienbericht des Forschungsinstituts SORA vom letzten Jahr mit dem vielsagenden Titel: Sie haben den Lotto-Sechser gewonnen. Sie sind der erste Österreicher, der mich anruft. Für die Untersuchung haben SORA-Mitarbeiter:innen mehr als 150 Wohnungsangebote in ganz Österreich durchtelefoniert. Einmal als mehrheitsösterreichisch anmutender «Michael Gruber» und einmal als «Muhammad Asif», der mit Akzent spricht. Das Ergebnis: Während Michael Gruber in jede einzelne Wohnung zum Besichtigungstermin eingeladen wurde, war dies bei Muhammad Asif nur bei jedem zweiten Telefonat der Fall. Asif wurde darüber hinaus bei jedem zehnten Termin nachgereiht, obwohl er vor Gruber angerufen hatte. Michael Gruber wurden auch mehr Einzelbesichtigungstermine angeboten, während Asif die angebotene Wohnung gemeinsam mit anderen Interessent:innen besichtigen sollte. Was die Gleichberechtigung angeht, hätten Makler:innenbüros deutlich schlechter abgeschnitten als private Vermieter:innen. Der Wohnungsmarkt krankt an Rassismus, das ist also belegt.
Selbermachen!
Vor diesem Hintergrund sagten sich Kajal Valadbeigi und ihre Kolleg:innen: «Dann machen wir einfach selber was!», erzählt sie im geräumigen Wohnzimmer der zukünftigen Wohngemeinschaft. Viele der PROSA-Schüler:innen hätten subsidiären Schutz, seien damit arbeitsberechtigt. Subsidiär Schutzberechtigte hätten aber nur eingeschränkten Zugang zu Leistungen der Wohnungslosenhilfe. Damit sind sie dem freien Immobilienmarkt ausgeliefert. Homebase will das durch das Anmieten weiterer Wohnungen zukünftig einigen geflüchteten Frauen ersparen – zumindest vorübergehend. Die Homebase-WG ist insbesondere als Übergangs-Wohnmöglichkeit gedacht. «Wie sagt man? So lange wie nötig, so kurz wie möglich», sagt Valadbeigi schmunzelnd. Die Untermiete bei Homebase soll es jungen Frauen erleichtern, in Österreich anzukommen, sie sollen zu Beginn zumindest ein Problem weniger haben. Zudem steht den Bewohner:innen sozialarbeiterische Unterstützung zur Verfügung.
Bis es so weit ist, muss in der Wohnung aber noch einiges passieren. «Wir wollen den Boden schleifen, dann ausmalen. Eine neue Küche kommt auch noch rein.» Und wenn das erledigt ist, können Maler:innenanzüge und Leiter, Farbkübel und Putzmittel hoffentlich schon in die nächste Wohnung weiterwandern. Bedarf gibt es mit Sicherheit. Kajal Valadbeigi wird leider recht behalten, wenn sie konstatiert: «Den Immobilienmarkt verändern können wir damit leider nicht.» Aber die Chancen für Einzelne wird es definitiv verbessern.