Immer wieder höre ich etwas von «nackten Zahlen». Das kann zugleich erregend und beunruhigend sein. 90-60-90 finde ich beunruhigend, wenn sich das Hauptaugenmerk ausschließlich auf diese nackten Zahlen richtet.
Leider habe ich ein gespaltenes Verhältnis zu professionellen Nichtesserinnen und wende mich daher lieber den schon wieder entkleideten Zahlen rund um die Wiederholung der Wiederholung der Bundespräsidentenwahl zu. Da schwirrt ja so einiges durch den Raum. Ich sollte vorsichtshalber einen Helm tragen. In vielen Vorhersagen führt Herr Hofer. Auch in Wettbüros. Ich habe mich in den letzten Tagebüchern bewusst nicht mit dieser Thematik befasst, weil ich eine gewisse Furcht vor den nackten Zahlen entwickelte, die in diversen Räumen schwebten. Allerdings werde ich in zwei Tagen ja wissen, inwieweit meine gerade diensthabende Wahlphobie berechtigt war.
3. 12.
Der geübte Verfasser dieser Zeilen eilt hurtigen Hufes zum nächstgelegenen Nahversorger. Daselbst wird er mit weihnachtlichem Gedudel empfangen. Aaah! «Last Christmas», der alljährliche Irrtum zum Thema Weihnachtslied. In Wahrheit ein zuckersüßes Liebeslied, was mich andererseits daran erinnert, dass ich Honig erwerben möchte. Auch Krampus und Nikolaus begegnen mir. Nein, nicht in Gestalt von Hofer und Van der Bellen, sondern als Schokofiguren. Der Einkauf als solcher erweist sich heute als eher schwierig, da sich nicht eruieren lässt, welche Nahrung insgesamt das Wochenende möglichst nahrhaft gestalten soll. Tierfuttererwerb stellt sich als viel einfacher heraus. Vorerst. Denn es begibt sich immer wieder, dass das herangeschaffte Futter gestern noch begeistert verspeist, am nächsten Tag jedoch aufs Äußerste verschmäht wird. Uff! Heute wird seitens seiner katerlichen Hoheit Mucki I. geradezu enthusiasmiert schnabuliert.
Dr. Dr. h. c. Mucki findet mein Verhalten befremdlich
4. 12.
11:30 – Ich liege auf der Lauer. Ich liege auf der Lauer vor meinem Wahllokal, das sich in der Zentrale der PVA versteckt. Möglichst unauffällig rauchend stehe ich vor dem Eingang, und mein subjektives Empfinden weist auf eine erhöhte Wahlbeteiligung hin. An mein gerade diensthabendes Ohr dringen türkische und serbokroatische Wortfetzen. Die dazu gehörigen Personen entern entweder das Wahllokal oder trennen sich, und eine Person geht rein, und die andere zündet sich eine Zigarette an. Was mich dazu veranlasst, von der Lauer aufzustehen und ein Gespräch in Gang zu bringen. In manchen Zuwandererfamilien gibt es teilweise Aus- und Inländer_innen. Und wie wir alle wissen, dürfen Ausländer_innen zwar seit Jahrzehnten hier arbeiten und kräftig Steuern bezahlen, aber ein Wahlrecht erhalten? Wo kämen wir denn da hin?! Um mit Bertolt Brecht zu sprechen: «Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte!» 16:45 Eine gewisse Unruhe treibt mich zu einer Rundreise durch mein 25 qm großes Reich. «’$)|e≠9c» Dr. Dr. h. c. Mucki findet mein Verhalten befremdlich, verfolgt allerdings trotzdem sehr gespannt die erste Hochrechnung um 17:10. Nachdem ich aus meiner von Freude ausgelösten Ohnmacht erwache, muss ich zu allererst meine Gedanken sortieren. Das kann eine Weile dauern.
5. 12.
Von einem gespaltenen Land ist die Rede. Die gewesene Wahl sei schuld. Die FPÖ vermutet völlig überraschend wieder einmal eine Verschwörung hinter dem Ganzen. Immerhin seien diverse Umfragen zugunsten ihres Kandidaten ausgefallen, aber es hätten ja trotzdem fast 50 % FPÖ gewählt. MOMENT!!! Es wollten einige einfach jemand jüngeren, aber zu behaupten, dass das alle FPÖ-Wähler_innen sind, finde ich zu gewagt. Ich persönlich habe meinem zukünftigen Präsidenten übrigens einige Ausgaben unseres Fachblattes für Menschlichkeit persönlich verkauft.
12. 12.
Man(n) lernt nie aus. Frau auch nicht. Heute hatte ich einen Frontalzusammenstoß mit dem Begriff «Idiotikon». Im ersten Moment zog ich eine Untersuchung des Rauchmelders in meiner Bleibe in Erwägung. Könnte ja eine Kamera versteckt sein. Behaupten zumindest Freund_innen von Verschwörungstheorien. Ich für meinen Teil wende mich an Dr. Google und Prof. Wikipedia, die mich informieren, dass in vorliegendem Begriff ein Idiom lauert. Also habe ich heute gelernt, was ein Mundartwörterbuch ist.
14. 12.
Ein leeres Dokument starrt aus meinem Blechtrottel heraus und mich vorwurfsvoll an. Was will es von mir? Ich hege den leisen Verdacht, es giert nach einem letzten Tagebuch für heuer. Also Zusammenfassung: Es wurden Menschen geboren, es sind Menschen gestorben. Schön und schlimm zugleich. Die USA und Österreich haben gewählt. Im Vergleich kommt Österreich um Lichtjahre besser weg. Aber leider geistert das rechte Gespenst immer sichtbarer durch Europa und die restliche Welt. Trotzdem möchte ich euch allen da draußen, die regelmäßig (oder auch nicht) den AUGUSTIN in ihr Heim holen, ein frohes Fest und einen guten Rutsch wünschen. Auf dass 2017 nicht so schlimm werden möge, wie es manche befürchten. Ich für meinen Teil habe einstimmig beschlossen, meinen Humor nicht zu verlieren.