Nehmt ihm die Seele!tun & lassen

Vorschlag für «Hitlerhaus»: gefakte Altstadterhaltung nach Wiener Art

Seit Jahren langweilt die Diskussion um die Braunauer Adresse, an der Adolf Hitler geboren sein soll, die österreichische Öffentlichkeit.  Und weil die Politik seit 70 Jahren keine Entscheidung fällt, die Wähler_innen aus dem rechten Lager verärgern könnte, wurde gar nicht entschieden, was aus der eher unwichtigen Immobilie werden sollte. Ein möglicher Ausweg: Die Wiener Schule der gefakten Altstadterhaltung! Von Erich Félix Mautner.

Allen öffentlichen Äußerungen zu diesem Gebäude ist gemeinsam, dass verhindert werden soll, dass dieses bedeutungslose Objekt zum Hitler-Denkmal oder zum Hitler-Haus werde, Wallfahrtsort gefährlicher Spinner, Kranzniederleger u. s. w. Eine Absicht, die das Bundesdenkmalamt nicht teilt bzw. offenbar mit folgender Eintragung durchkreuzt hat: «Denkmalliste […] Oberösterreich unbewegliche und archäologische Denkmale unter Denkmalschutz (rechtlich nicht verbindlich) 21. 06. 2016 […] Braunau am Inn 40005 Braunau am Inn Bürgerhaus Salzburger Vorstadt ­­­­ 15 .326/1 Bescheid» Was für ein Denkmal? Inwiefern denkwürdig dieses Gemäuer sein sollte, wessen Gedenken gewidmet, das müsste dieses Amt erst erklären! Boulevard und Populisten leben von Konflikten und angedrohten Bürgerkriegen, nicht von Peace, Joy and Pancakes, Streitvermeiden und Deeskalieren. Die Krawallblätter, nicht nur die ganz rechten, sind längst dabei, das Gebäude als Hitlerhaus, ganz ohne Anführungsstriche, zu institutionalisieren. Eine Auswahl an Überschriften der Schande: Schüler-Urlaub im Hitler-Haus («Der Standard», 29. 6. 2013), Pläne für Hitler-Haus auf Eis gelegt («Kurier», 29. 8. 2014), Das Hitler-Haus. Die geheimnisvolle und skandalöse Geschichte eines bösen Ortes («profil», 10. 11. 2014 am Titelblatt), Hitlerhaus-Besitzerin droht Enteignung («Kurier», 14. 1. 2015), Republik enteignet Hitler-Haus («Die Presse», 10. 4. 2016), Hitler-Haus: Weg frei für Abriss? («Kronen Zeitung», 12. 7. 2016), Denkmalschützer wollen Hitler-Haus erhalten («Der Standard», 20. 9. 2016; hier wird gleich in der Überschrift auch ein bestehender Denkmalschutz unterstellt), Das Leben im Schatten des Hitler-Hauses («Die Presse», 23. 10. 2016). Nur einmal werden Anführungszeichen verwendet: Was wird aus dem «Hitler-Haus»? («Kurier», 23. 10. 2016) Des Polizeiministers Expertise war dafür, das Gebäude doch endlich abzureißen – dann hätte er eine Sorge und einen Budgetposten weniger. Denn das Innenministerium hat sich von der Eigentümerin des Gebäudes, die das Haus partout nicht verkaufen will, erpressen lassen und es für kolportierte 4700 Euro monatlich gemietet. Worauf es nun leer steht. Norbert Hofer wird das Haus auch abreißen – wenn er erst Bundespräsident ist. Sagte er in diversen Interviews.

Abreißen geht aber gar nicht, weil damit das Ensemble dieses Platzes unwiederbringlich und gesetzwidrig zerstört wäre. Ein freier Platz wäre außerdem ein ideales Gelände für Kundgebungen, SS-Veteranentreffen und Krawalle. Andere Vorschläge – Museum, Pensionistenheim, Flüchtlingsquartiere, Schule, mit Beton ausgießen usw. – würden das Haus endgültig als Weihestätte bestätigen. Hier könnte die Wiener Methode greifen, architektonisch interessante oder gar denkmalgeschützte Gebäude ein bisserl zu erhalten, für deren Pflege die öffentliche wie die private Hand aber gar keine Lust haben. Zumindest die Vorderfront wird erhalten, dem Haus selbst allerdings sollen Seele, Sinn und Bedeutung genommen («entkernt») werden. Man baue also nach Wiener Vorbild hinter die hübsche Fassade ein völlig neues Haus mit anderen Raumhöhen und -Plänen, mit mehr Stockwerken als das abgetragene, aus modernem Baustoff, mit aktueller Gebäudetechnik und themenneutralen Mietern (Kindergarten, Kleinhandelskette …).

Nichts bliebe dann übrig, was Nazi-Schwärmern als Gnadenort dienen könnte. Und der Ensembleschutz, auf den die Bürger_innen Braunaus gutes und verbrieftes Recht haben, bleibt erhalten. Auch ohne Abrissbirne verlören dann die Wallfahrer_innen aus dem Tausendjährigen Reich ihre Lieblingsdestination.

 

Neonazi-Tourismus

Ein Beispiel für die Rolle des Hauses in der braunen Erinnerungs-«Kultur» liefert der rechte Rapper Makss Damage, der durch sein «Reconquista Mixtape» einschlägig bekannt wurde. Er schreibt unter sein Hitlerhaus-Foto, das er auf seine Fanpage mit über 10.000 Fans gestellt hat: «Besucht sein Geburtshaus, solange es noch steht! Das Gefühl ist unvergleichbar.» Und einer der Fans bestätigt: «Dieses Haus einmal live zu sehen, das ist fast schon Pflicht für jeden aufrechten Menschen!» Besonders die Braunauer Makss Damage-Fans erfüllt das mit Stolz. Es sollen gar nicht so wenige sein.