Neu, Neu, Neu! Innovativ!tun & lassen

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Der Kaiser ist nackt!, ruft ein kleines Kind, während alle so tun, als würden sie den Kaiser mit seinen schönsten Kleidern spazieren gehen sehen. Die Gewänder können nämlich nur die sehen, die des Amtes würdig und nicht dumm sind, haben zwei Betrüger erklärt. Und ihm Luft genäht.Liest man die Begründungen für Sozialpreise, vertieft man sich in die Managementliteratur, glaubt man den Karriereseiten in den Zeitungen, beobachtet man den neuen Zirkus um die Social Entrepreneurs, dann kann man gar nicht anders als zum Schluss kommen: Das Alte ist schlecht, das Neue ist gut. Das eine ist von gestern, das andere weist ins Morgen. Neu, neu, neu! Innovativ, innovativ, innovativ! Originell, originell, originell! Natürlich braucht es gute Ideen, bedarfsgerechte Angebote, respektvolle Unterstützung und widerständige Aktionen. Aber ist das entscheidende Kriterium, dass es neu ist? Und was steckt hinter der Innovation?

Mir scheint, dahinter verbirgt sich auch ein gerüttelt Maß an Ideologie. Was unter der Fahne der «Innovation» segelt, bietet bei näherer Betrachtung oft nichts Neues unter der Sonne. Es tut so, als wäre es abgeschnitten von allem Vorhergegangen original neu, obwohl es aus dem Alten schöpft. Verdächtig ist das Wörtchen Innovation. Es kommt eigentlich aus der Botanik und beschreibt das Abschneiden der alten Triebe. Das ist ein auf die Gesellschaft umgelegt brutaler Vorgang, der das Neue durch die Vernichtung des Alten hervorzubringen glaubt. Und der vergisst, dass viele Neuerungen erst durch das Zurückschauen möglich geworden sind. Die Vorsilbe «re» leitete das Neue ein: Revolution, Reform, Reformation, Renaissance. Nichts Neues ohne das Alte. «Unter dem Imperativ der Innovation werden Gegenwartskrisen niemals aus begangenen Irrtümern oder aus Fehlentwicklungen oder Fehlentscheidungen erklärt. Krisen sind in dieser Lesart immer und ausschließlich Resultate eines Novitätsmankos.» (Marianne Gronemeyer). Die Frage nach dem Neuen hat die alten Fragen nach der Wirklichkeit und der Wahrheit abgelöst. «I weiß zwar net, wo i hinfahr, aber dafür bin i schneller durt», so hat es Helmut Qualtinger formuliert. Das ist eine besinnungslose Ideologie, eine autoritäre Versuchung, die sagt: Schluss mit der Diskussion, Schluss mit Fragen. So ist es. Wir denken nicht, wir tun. «Das Neue will aber keine Alternative, keine Möglichkeit, sondern eine alles ausschließende Notwendigkeit sein. Der Furor der Modernisierung kennt keine Bedenkzeiten, kein Innehalten, kein Abwägen, keine Muße. Das Neue erscheint deshalb auch mit Vorliebe in der ideologischen Gestalt eines Sachzwangs, dem man sich nur um den Preis selbstverschuldeten Zurückbleibens widersetzen könnte.» (Konrad Paul Liessmann)

Was nicht neu ist oder sich als neu präsentieren kann, hat keinen Wert und sei es auch noch so gut oder funktional. Das Einzige, was das Neue gegenüber dem Alten in die Waagschale zu werfen hat, ist nicht unbedingt das Bessere, sondern eben: Es ist etwas Neues. Diesem Neuen geht es nur um sich selbst. Und es ist aus Luft genäht.

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