Neue Radiogesetze, neue MedienbehördeArtistin

Frei & lizenzlos

Die Gesetzesentwürfe zum neuen Privatradiogesetz lassen Böses ahnen. Alles deutet darauf hin, daß das Verständnis für die Notwendigkeit nichtkommerzieller Radios, die als einziger, wirklich unabhängiger Sektor neben den kommerziellen BetreiberInnen und neben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk agieren können, in Österreich nicht sehr groß ist.Am 5. Dezember passierten die Entwürfe zum neuen Privatradiogesetz und zur geplanten Medienbehörde KommAustria den Ministerrat. Die Entwürfe wurden erwartungsgemäß angenommen. Mit diesen Plänen der Regierung wird die Privatradiolandschaft für die nächsten zehn Jahre geprägt werden. Dass im Zuge dieser Neuregelungen 21 Radiolizenzen österreichweit aufgehoben wurden und auf diese mindestens ein halbes Jahr Unsicherheit, Warten und Zittern zukommt, was passieren wird, scheint spurlos an der Öffentlichkeit vorbeigegangen zu sein. Dabei kann es doch nicht gleichgültig sein, welche Beiträge in welcher Art über den Äther an die Öffentlichkeit gelangen dürfen und welche nicht.

Vor knapp zwei Jahren wurde endlich auch in Österreich Privatradio erstmals zugelassen. Damals entschied die Regionalradiobehörde über die Vergabe der Lizenzen. In Wien kamen auf sechs zu vergebende Lizenzen dreißig BewerberInnen.

„Wenn es mehr BewerberInnen als freie Lizenzen gibt, dann trifft die Behörde eine sogenannte Auswahlentscheidung,“ erklärt Christian Frühwirt, Geschäftsführer des Verbands Freier Radios Österreich. „Wir bezeichnen das intern als Beauty Contest. Das heißt, die Behörde sagt dann: auf der sechsten Lizenz wollen wir nicht den sechsten kommerziellen Betreiber haben, sondern wir geben sie eben einem nichtkommerziellen Anbieter. Damit fühlen sich dann natürlich mindestens fünf Anbieter auf die Zehen getreten.“

Auch Orange 94,0 wurde geklagt.

Die abgewiesenen RadiomacherInnen klagten. Gegen die Art der Lizenzvergabe, mit der Vermutung, daß die Vergabe durch eine verfassungswidrige Behörde erfolgt war. Im Ballungszentrum Wien kam es zu Sammelklagen. Auch Orange 94,0 (auf dessen bunter Frequenz auch Radio Augustin seinen Platz gefunden hat) wurde geklagt.

Vor dem Sommer fiel dann die gerichtliche Entscheidung. Der Verfassungsgerichtshof stellte fest, daß solche Behörden, wie sie die Regionalradiobehörde darstellt, verfassungswidrig sind. Die Behörde wurde für illegal erklärt. Alle Lizenzen, gegen die Beschwerden erhoben worden haben, wurden aufgehoben.

„Es ist so, daß die Allmacht des Verfassungsgerichtshofs nicht soweit geht, daß er jetzt grundlos sämtliche Entscheidungen der Behörde, auch wenn sie als illegal erkannt worden ist, aufheben kann,“ erklärt Christian Frühwirt weiter. „Sie kann das nur dann, wenn Dritte gegen bestimmte Entscheidungen Klage erhoben haben.“

Was bedeutet, daß zum Beispiel die Lizenzen der freien Radios im ländlichen Raum, wo niemand anderer diesen Standort betreiben wollte oder will, aufrecht blieben. Auf die Lizenz 94,0 für Orange aber kamen fünf Beschwerden, sie wurde aufgehoben.

„Wir senden derzeit im lizenzlosen Zustand,“ sagt Christian Frühwirt. In Anbetracht dieser Situation wurde von politischer Seite der Versuch gestartet, entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Mit dem Tag der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs gab es innerhalb einer kurzen Frist die Chance, einen Antrag auf eine vorübergehende Lizenz zu stellen, auf eine Art provisorische Lizenz, die auf maximal sechs Monate befristet ist. Innerhalb dieser sechs Monate muß ein nochmaliger Antrag auf eine vergleichbare endgültige Lizenz, wie sie z.B. Orange 94,0 noch bis vor ein paar Wochen hatte, gestellt werden. Und über diese endgültige Vergabe entscheidet dann die neue Medienbehörde KommAustria, die bis dorthin konstituiert sein soll.

„Wir warten,“ so Christian Frühwirt. „Und wir gehen davon aus, daß dieser Antrag auf eine provisorische Lizenz wohl eher ein Formalakt ist. In den sechs Monaten aber sieht das Gesetz sehr wohl vor, daß da für eine eventuelle abermalige Vergabe einer zehnjährigen Lizenz geprüft werden soll, ob nicht einer der Beschwerdeführer doch Recht hat und man diesem die Lizenz zugestehen soll. Diese Gefahr hängt im Raum.“

Keine Spur von Unabhängigkeit

Die Gesetzesentwürfe zum neuen Privatradiogesetz und zur neuen Medienbehörde gingen im Herbst in eine Begutachtungsphase.

Hauptkritikpunkt, den verschiedenste Insititutionen äußern, ist die Tatsache, daß die KommAustria, sollte der Entwurf in dieser Form durchgebracht werden, lediglich unabhängige Medienbehörde heißen würde, tatsächlich aber keineswegs eine unabhängige Behörde wäre. Der Gesetzesentwurf sieht nämlich vor, daß sieben Mitglieder der KommAustria direkt von der Regierung vorgeschlagen werden, ein Mitglied auf Vorschlag der Länder und vier nach dem Stärkeverhältnis der Parteien im Hauptausschuss Entscheidungen treffen können.

„Fast alle Stellungnahmen, unabhängig davon aus welchen Körperschaften sie stammen und welche politischen Nahverhältnisse diesen zugesagt werden, teilen die Ansicht, daß die entsprechenden Senate und Gremien da drinnen, jeglicher demokratischen Legitimierung entbehren,“ so Christian Frühwirt. „In der momentanten politischen Konstellation würde es immer zu einer überwiegenden oder 2/3-Mehrheit von schwarzen und blauen Vertretern kommen. Das ist sehr bedenklich.“

„Wir haben eine Reihe von Behördenmodellen, wie sie in deutschen Landesmedienanstalten Anwendung finden, in unserem Positionspapier aufgezählt,“ so Christian Frühwirt weiter. „Mit etwas politischem Willen ist es machbar, Gremien einzusetzen, die einerseits ein möglichst breites Spiegelbild der Gesellschaft abgeben und andererseits schlank genug sind, um anstehende Arbeitspensen bewältigen zu können.“

Das Gesetz zur KommAustria braucht eine 2/3-Mehrheit im Nationalrat, um verabschiedet werden zu können. Damit benötigen die Regierungsparteien zumindest die Zustimmung der SPÖ. Aber sowohl Grüne wie SozialdemokratInnen haben bekannt gegeben, daß sie die Entwürfe nicht befürworten werden.

„Es wird sehr rege verhandelt,“ weiß Frühwirt. „Aber es ist schwer abzusehen, was die Opposition von ihren Anliegen noch durchbringen kann. Ein nicht unwesentlicher Verhandlungsgegenstand ist die Forderung der Freien Radios nach Verankerung nichtkommerzieller Radios im Gesetz.“

Und was passiert, wenn die 2/3-Mehrheit nicht zustande kommt?

„In diesem Fall ist damit zu rechnen, daß die Regierungsparteien auf einmal einen ganz anderen Entwurf aus der Lade zaubern, die eine ganz andere Behörde vorsieht, für die es keine 2/3-Mehrheit braucht,“ so Frühwirt weiter. „Allerdings wäre es relativ peinlich, eine Medienbehörde zu konstituieren, die unmittelbar dem Bundeskanzler bzw. einem Minister unterstellt ist. Das würde international sicher nicht gut ausschauen.“

Das Verständnis für die in Österreich dringende Notwendigkeit Freier Radios, die als einziger, wirklich unabhängiger Sektor neben den kommerziellen BetreiberInnen und neben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk agieren können, ist bekanntlich nicht sehr groß. Die Kürzung der Förderungen für das Jahr 2000 und die völlige Streichung für 2001 sind ein unmißverständliches Zeichen. Da bleibt nur die vage Hoffnung, daß sich zuständige EntscheidungsträgerInnen auf das besinnen, was bei unseren NachbarInnen Normalität ist: die Erhaltung einer pluralistischen Medienlandschaft, in der Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt Wert hat.


Verband Freier Radios Österreich

9., Schubertgasse 10

Tel: 315 79 79 Fax: 319 09 99-4

„Positionspapier zur österr. Medienpolitik“ nachzulesen: www.freie-medien.at

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