Neues von Frau Gschistibohavitschektun & lassen

Mein Vater behauptet: Wenn er sich von einer einen Meter langen Wurst irgendwo ein zentimeterdickes Radl rausschneidet, erwischt er todsicher den einzigen Knochensplitter der ganzen Wurst. Ich bin die in unserer Familie, die im Theater oder im Konzert garantiert die lästigsten Plaudertaschen im Saal als Nachbarn hat.

Das hat bereits in meiner kulturell unkritischen Jugend begonnen, als ich den Sonntagnachmittagvorstellungen im Raimundtheater beiwohnte. Damals, lange vor dem Totalumbau zur Nobelhütte, wurden dort in wechselhafter Qualität Operetten dargeboten und zur Füllung des Zuschauerraums busweise Pensionist_innen aus der Provinz herangekarrt. Ausnahmslos saßen hinter mir zwei Leutchen, die die Handlung kommentierten. «Jetzt lasst er sie glei stehen…» – «Na ja, kloar, wäu er glaubt, dass sie mit dem Grafen wos hot … wer is sie eigentlich?» – «Irgenda Tschechin, glaub i …»

Dieser Trend setzte sich unbarmherzig fort. Egal wo, immer sitzen hinter, neben oder – besonders lästig, weil durch die zusammengesteckten Köpfe zusätzlich die Sicht einschränkend – vor mir irgendwelche Quargler_innen, die auch durch freundliche bis ungeduldige Ordnungsrufe selten zu stoppen sind.

 

Neulich beim Akkordeonfestival wieder. Dreihundert Begeisterte saßen sprachlos im Saal, während Maurizio Geri und Diknu Schneeberger mit Karl Hodina auf ihren Instrumenten brillierten. Aber die zwei Geföhnten neben mir mussten offensichtlich dringende Probleme besprechen. «Mapmapmapmapmapmaaaapmapmap.» Ich verstehe es nicht. Bei kostenlosen Veranstaltungen noch eher, aber auch nicht immer: Zum Beispiel beim sommerlichen Jazzfrühschoppen auf dem Rathausplatz. Natürlich kann man sich mit seinem Teller ausnahmsweise auf einen unpassenden Tisch verirren. Aber da gibt es eine gesellige Partie, die sich durch einen Frühaufsteher in der Runde jede Woche die pole position sichert. Immer mit den Musikern der Kapelle auf Du und Du. Und immer bester Laune, denn mit lautem Gequatsche und brüllendem Gelächter machen sie den anderen Anwesenden ein Genießen der Musik unmöglich.

 

Diese Art der kulturellen Indifferenz hat in den letzten Jahren eine neue Komponente bekommen. Obwohl von den Veranstalter_innen vor Beginn darum ersucht, schalten die wenigsten ihr Handy ab. Manche geben der Szene durch Twittern eine zusätzliche Beleuchtung, andere sind sich nicht zu blöd, die Handlung mitzuschneiden. Damit nicht nur die Umsitzenden, sondern am nächsten Tag auch die Youtube-Schauer_innen nichts davon haben.

 

Bei der Generalprobe von «The King’s Speech» in den Kammerspielen vor gut einem Jahr ertönte in der letzten Viertelstunde dreimal laut der digitalisierte Radetzkymarsch. Kein Wunder, dass König Edward stotterte.

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