Neues von Frau Gschistibohavitschek: Körperkult, jetzt kindergerecht!tun & lassen

Sehr geehrte «medizini»-Redaktion,

seit Jahren freut sich mein Nachwuchs über die monatliche Zeitschrift «medizini», die kostenlos in vielen Wiener Apotheken aufliegt. Vor allem der Tierposter kommt immer gut an. Und die vielen Comics haben bis vor einiger Zeit Wissenswertes zu Gesundheit und Natur in leicht verdaulicher Form geboten. Leider musste ich feststellen, dass unser Lieblings-Comic gekürzt wurde und bei einem anderen alte Geschichten wiederholt werden. Über diese Sparmaßnahme waren wir überhaupt nicht erfreut, haben sie aber zähneknirschend hingenommen.

Als ich aber neulich auf der Titelseite der Ausgabe Januar 2016 einen Hinweis auf einen Figurtest entdeckte, war es mit meiner Toleranz schlagartig vorbei. Die Zeitschrift «medizini» ist für Kinder von 5 bis 12 Jahren konzipiert. Was hat die Frage «Deine Figur – zufrieden damit? Teste dich!» hier zu suchen?

Im Inneren geht es munter weiter. Die Kinder bekommen Fragen zur eigenen Figur vorgesetzt, im Vergleich mit anderen Kindern, mit «schönen, schlanken Stars», mit «alle(n) in der Klasse, die jetzt diese superengen Hosen tragen», aber «bei dir sitzen sie viel zu knapp und sehen nicht gut aus».

Ich behaupte nicht, dass es kein Problem beim Gewicht von Kindern gibt. Irritierende Fragen, die im Wesentlichen unreflektiert bleiben, können aber nicht die Lösung sein. Body Shaming kann Essstörungen begründen.

Es ist mir auch klar, dass eine Gratis-Zeitschrift vor allem ihr Zielpublikum an die Produkte der Anbieter heranführen will. Gegen eine Werbung von Heftpflastern oder wohlschmeckenden Halstabletten würde ich auch nicht Sturm laufen, aber dass Sie bei Volksschulkindern mit Ihren tendenziösen Fragen zu Figur und Übergewicht Unsicherheit und Unzufriedenheit wecken, finde ich völlig unangebracht. Vor allem deshalb, weil es meiner Meinung nach – besonders für Kinder! – in der Apotheke ohnehin wenig Nützliches für eine gesundheitsförderliche Gewichtsreduktion zu kaufen gibt.

In Deutschland, so habe ich erfahren, wird vielerorts die Januar-Ausgabe in abgespeckter Form, ohne den «Figur-Test», ausgegeben. Einige Apotheken haben auf eine Weitergabe von «medizini» in diesem Monat sogar vollständig verzichtet. Ich kann nur hoffen, dass auch in Österreich das Verantwortungsgefühl bei Apotheker_innen und Eltern groß genug ist, um zu vermeiden, dass sich schon unsere Kinder mit dem Thema Schlankheitswahn auseinandersetzen müssen. Das wird ohnehin früh genug auf sie zukommen.

Auf Ihre Stellungnahme wartet gespannt

Christa Neubauer

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