«Nicht jede Pleite muss vermieden werden»tun & lassen

Leonhard Dobusch (Foto: © Jana Madzigon)

René Benkos Signa Holding ist insolvent. Dass auch die Projektgesellschaft des «Lamarr» pleite gegangen ist, ist keine zwingende Folge davon, erklärt der Ökonom Leonhard Dobusch. Im Gespräch macht er sich Gedanken darüber, was schon lange vor so einer Pleite schiefgelaufen ist.

 

Was waren die Ursachen für die Lamarr-Pleite?

Es ist gar nicht so leicht zu sagen, warum auch die Gesellschaft, der das Lamarr gehört, pleite gegangen ist. Das Gebäude selbst gehört ja einer Projektgesellschaft. Es ist durchaus üblich, dass für so ein komplexes Projekt wie den Bau eines großen Kaufhauses eine eigene Projektgesellschaft gegründet wird. Falls es Probleme gibt, kann im Extremfall die Projektgesellschaft in Insolvenz geschickt werden, ohne das eigentlich dahinterstehende Unternehmen zu gefährden. Hier haben wir nun den Fall, dass das Mutterunternehmen in Schwierigkeiten geraten ist. Das müsste aber nicht automatisch die Insolvenz der Projektgesellschaft bedeuten. Dass aber hier auch die Projektgesellschaft in Insolvenz geschickt wurde, dürfte mit Streitigkeiten der beiden Eigentümer der ­Objektgesellschaft – Benkos Signa und der thailändischen Central-Gruppe – zusammenhängen. Zwischen Benko und der Central Group dürfte es Meinungsverschiedenheiten über die strategische Vorgangsweise geben. Sie blockieren sich gegenseitig. Da blieb offenbar nur noch die Insolvenz als Ausweg.

Welche Kosten sind durch die Pleite entstanden? Und wer wird sie tragen?

Das größte Problem ist, dass hier jetzt nur ein Rohbau steht. Und der ist schwer zu verwerten. Ich habe einen Rohbau ohne Mieter, der ist nicht viel wert. Jetzt ist die Frage, finde ich ­einen Käufer, der das Gebäude fertig bauen will? Oder gibt es jemanden, der sagt: Mich interessiert nur das Grundstück, ich reiße den Rohbau ab und baue etwas anderes hin? Letztlich muss alles über die Banken gehen, die hier Pfandrechte haben. Das sind die Bank ­Austria und die Raiffeisen Oberösterreich. Die haben Forderungen in Höhe von 265 Millionen Euro angemeldet. Der beste Fall wäre, das Grundstück und der Rohbau werden verkauft, und dann wird wie geplant fertiggebaut. Es ist aber absolut nicht gesagt, dass dieser beste Fall eintritt.

Gibt es denn Möglichkeiten für die öffentliche Hand, hier einzuschreiten? Mit dem Gelände ließe­ sich ja vielleicht was anstellen.

Sollte es einen Verkauf geben, kann die Stadt Wien natürlich mitbieten. Aber warum sollte sie das tun? Und dann die Frage: Welcher Preis ist angemessen? Wenn die Stadt jetzt sagt: Ich kaufe das Grundstück für vielleicht 100 Millionen Euro, dann habe ich für dieses Geld eine Bauruine gekauft. Um etwas Vernünftiges daraus zu machen, muss ich noch einmal Geld in die Hand nehmen, für den Abriss zum Beispiel. Wenn die Stadt sagt: Wir machen ­einen Park daraus, dann wird das ein sehr teurer Park. Und es gibt noch nicht einmal ­einen ­finanziellen Rückfluss. Das ist eine politisch herausfordernde Frage, zu der es sicher sehr viele ­verschiedene Meinungen gibt.

Nun haben wir diese Bau­ruine mitten auf der Mariahilfer Straße. Gibt es denn regulatorische Möglichkeiten, wie eine derartige Pleite schon vorab verhindert hätte werden können?

Grundsätzlich kann so eine Projektgesellschaft wie hier bei Lamarr immer mal pleitegehen. Das lässt sich nicht vermeiden, und ich finde es auch nicht gut, es zu vermeiden. Wir haben eine soziale Marktwirtschaft, aber es ist eben auch eine Marktwirtschaft. Und in der müssen Unternehmen pleitegehen können. Das ermöglicht Innovation, führt aber eben auch zu sozialen Kosten, die die Gesellschaft trägt. Deshalb müssen Unternehmen, die wie im Fall von Benkos Signa-Gruppe über einen Zeitraum von fünfzehn Jahren fette Gewinne ausgeschüttet haben, und deren Eigentümer in guten Jahren auch entsprechend besteuert werden, zum Beispiel über Gewinnsteuern, Vermögenssteuern oder Erbschaftssteuern.
Einen wirklichen Reformbedarf gibt es aber bei so intransparenten Firmenstrukturen, wie es sie bei der Signa-­Gruppe gegeben hat. Zum Beispiel hat die Gruppe ihre Jahresabschlüsse sehr viel verspätet abgegeben. Das hat ihr ermöglicht, ihre Finanzsituation besser darzustellen, als sie wirklich war. Hier muss es Sanktionen geben, wobei sich ein Unternehmen wie die Signa finanzielle Sanktionen gut leisten kann. Eine Möglichkeit wäre, dass keine Gewinne ausgeschüttet werden dürfen, bis nicht alle Transparenzpflichten erfüllt sind.
Dann ist noch der Punkt, dass die zentrale Signa Holding als kleine GmbH im Firmenbuch eingetragen war. ­Kleine GmbHs haben geringere Transparenzpflichten als große Unternehmen. Es war aber nie so gedacht, dass eine ­Signa Holding mit fünf Milliarden Euro ­Bilanzsumme sich derart vor Transparenzpflichten drücken kann. Derzeit gibt es drei Kriterien, die eine kleine GmbH ausmachen, zwei davon müssen erfüllt sein: Man muss weniger als fünfzig Mitarbeiter:innen haben, weniger als zehn Millionen Euro Umsatz im Jahr haben und weniger als fünf Millionen Euro Bilanzsumme aufweisen. Hier wäre die Lösung: Wenn ich bei nur einem dieser Punkte die ­Grenze um das Fünffache überschreite, gelte ich trotzdem als große GmbH, stehe im öffentlichen Interesse und muss mich entsprechenden Transparenzpflichten stellen.

Transparenz beginnt idealerweise schon lange, bevor etwas schiefgeht. Jetzt hassen alle René Benko, aber die österreichische Gesellschaft hat ihn über Jahre auf ein Schild gehoben. Was ist hier schiefgelaufen?

Eine große Rolle spielen die Medien. Jetzt sind alle wie verrückt dabei, die Benko-Jahre investigativ aufzuarbeiten. Aber er wurde von großen Maga­zinen noch zum Mann des Jahres gekürt, als er längst keine formale Rolle mehr in der Signa hatte. Offiziell war er nur hochbezahlter «Berater». Das war Teil des intransparenten Firmengeflechts. Es wirft Fragen auf. War dieser Mann ohne formale Rolle der faktische ­Geschäftsführer und somit letztendlich verantwortlich? Oder ist er nur Berater ohne formalen Einfluss? Oder beides? Was geschieht hier eigentlich? Ist es ­legal? Das sind Fragen, die schon viel früher mehr mediale Aufmerksamkeit verdient hätten.

Leonhard Dobusch ist BWL-Professor an der Universität Innsbruck und wissenschaftlicher Leiter des Momentum-­Instituts in Wien

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