Nichts gewusst?Artistin

Der Fall Waldheim im Faktencheck

Würde heute Kurt Waldheim seine Darstellung seiner Biografie zwischen 1938 und 1945 als «alternative Fakten» präsentieren? Und würde er die Enthüllungen über seine Tätigkeiten als Ordonnanz- und Verbindungsoffizier am Balkan als «Fake News» bezeichnen?Die Terminologie mag sich geändert haben – Waldheim nannte die Vorwürfe bezüglich seiner Rolle in der NS-Zeit «Schmutzkübel-Campaign» – das Ignorieren und Abstreiten von Tatsachen hat in der politischen Kommunikation noch immer (oder schon wieder?) Konjunktur. Ruth Beckermanns Dokumentarfilm Waldheims Walzer ist allein schon aufgrund der politischen Entwicklungen der letzten Jahre einer der wichtigsten Filme zurzeit im Kino. Anhand von Archiv­aufnahmen zeichnet Beckermann chronologisch die Ereignisse während des Bundespräsidentenwahlkampfs 1986 bis zum Amtsantritt Waldheims im Juni desselben Jahres nach. Der von der ÖVP nominierte Kandidat Waldheim hatte in seinen biografischen Angaben stets den Eindruck erweckt, sich nach einer Kriegsverletzung an der Ostfront 1941 bis Kriegsende in Wien aufgehalten zu haben, vor 1945 nie am Balkan gewesen zu sein und während der NS-Zeit auch von Kriegsverbrechen nichts gewusst zu haben. Diese Angaben wurden infrage gestellt und aufgrund zahlreicher Dokumente widerlegt. Widerstand und Protest gegen den Kandidaten waren die Folge, aber auch die Befürworter_innen formierten sich verstärkt. In der Stichwahl wurde der Mann mit fast 54 % ins Amt gewählt. Die Waldheim-Affäre gilt als Auslöser einer tiefgehenden Diskussion um die Opfer-/Täter-Rolle von Österreicher_innen in der Nazizeit und der Abkehr von der Opferthese Österreichs. Ein Konsens, der nunmehr wieder in Gefahr ist.

Derzeit im Kino

www.waldheimswalzer.at

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