Ich bin die Zeit hinuntergerollt und auf der Lagefläche eines Niemandslandes gelandet. Erschrocken blickte ich in den Himmel mit Wolken und Sonne. Die Vergangenheit hat mich eingeholt und ich sollte sie in der Einöde fangen?
Foto: Claudia Magler
Die Realität schlich sich zwischen meine Beine, wo vor Tagen noch Erektion war. Ich kratzte mich kurz an meinem Schulterblatt und schaute mich abermals um und fand immer das Gleiche. Ich atmete Kanalduft und fragte mich schnell, wer am Traktor saß. Der Sitz war leer. Ich hatte noch nie einen Traktor gefahren, aber nach Stunden der Desorientierung kam ich auf die Idee, es zu tun. Richtungslos. Ich holte immer wieder tief Luft und dachte nach, ob ich dort schon einmal war. Irgendwann in meinem langen und auch kurzen Leben. Ahnungen stiegen hoch und blieben dabei. Ich befand mich in einem Zustand gänzlicher Unsicherheit. Nun also das Kommando übernehmen. Ich startete und fuhr. Dort, wo kein Weg war. Ich schluckte viel in diesem Moment. Viel Angst in mich hinunter. Aus dem Leben geworfen oder die Chance bekommen, einen Richtungswechsel einzunehmen? Alles und viel und vielleicht sogar nichts. Das Fahren erhellte mein Gemüt. Ich fuhr über Äcker, die bewachsen waren. Einfach dem Instinkt nach. Konsequenzenlos. Wie brutal man wurde der Natur gegenüber, wenn man das Gefühl hatte, es stand so viel auf dem Spiel. Ein Schmetterling gesellte sich zu mir. Nur kurz, aber er flog vor mir her und ich folgte ihm. Zitronenfalter. Bis er sich immer mehr in die Höhe begab. Jetzt wird die Luft abermals dünn. Eine neue Phase der Unsicherheit entstand. Aber in mir hatte sich etwas gefestigt. Es werden mir weitere Begleiter begegnen. So blitzte mit einem Schlag die Sonne hell und strahlend Richtung Westen und ich zog nach. Ich hatte aufgehört, mich zu fragen, wohin das führte. Es war eine Episode. Jede Episode hatte ein Ende, um eine andere einzuleiten. Episodendasein. Ich hielt inne. Ich hatte kapiert. Ich musste nicht um mein Leben fahren. Ich befand mich mitten im Leben. Es zeigte mir die Fehltaten auf und drängte mich zu neuen Taten, die mir mehr glichen. Ich bin der Irre geflohen und aus jeder Irre musste man heraus. Ich wusste, dass ich manchmal Zick-Zack ruderte. Aber mit einem Mal stand ein Mann vor mir. Ein junger Mann hielt mir die Hand entgegen und sagte, ich solle mir nehmen, was mir zusteht. Rasten. Wir machten ein Lagerfeuer und schauten uns nur an mit Liebe, die nicht weilt, aber einen Moment hatte. Nach zwei Tagen schickte er mich weg und so ratterte ich mit meinem Traktor in Rot von einer Station zur anderen, aber ich war immer auf dem Weg. Manchmal mit Wegweisern und ein andermal nach meiner eigenen Intuition. Vieles begegnete mir. Nicht alles waren gestreute Rosen, aber Libellen, Krähen und Adler trugen mich. Menschen schlossen sich mir an und verabschiedeten sich von mir. Oft gingen wir Hand in Hand, Brust auf Brust, Zunge auf Zunge und andere Geschichten. Doch viele musste ich in Liebe gehen lassen, weil sonst mein Traktor fort gewesen wäre, ohne mich abgefahren. Es rollte Tränen, aber gesiegt hat meine Esprit, die Herausforderungen des Lebens anzunehmen und in manchem Momenten sentimental zurückzublicken. Zu leben ist eine Badewanne, ein Teich und eine Schnur, die an uns zieht, an der wir ziehen in Abstraktion und Wanderliedern. Du bist eine Zigeunerin, hat meine Mutter gesagt. Ich erkenne dich nicht. Das war meine Melodie in Schwarz-Grau und einer Helle, die alles überstrahlte, was an Melancholie existiert. So starte ich meinen Traktor mit festen Beinen unter dem Boden und dem Vertrauen im Herzen. Bald ist Winter und mein Vehikel und ich brauchen Unterkunft, aber das ist noch weit wie ein in die Höhe geworfener Luftballon, der niemanden einen Gruß bringt. Das Niemandsland ist mein Rückzugsort geworden, obwohl es weiterhin niemanden gehört, aber es ist ein Platzerl zum Verweilen in unendlicher Verkronung. Bis zum letzten Atemzug, von dem ich auch nichts weiß.