No risk, no fun?tun & lassen

Sicherheit im Internet ist nicht allein eine Frage der IT-Security. Die persönliche Sicherheit kann auch durch Gruselvideos oder Cyber-Mobbing bedroht werden. Der Verein Saferinternet.at kümmert sich um die Aufklärung von Kindern und Jugendlichen.

Text: Barbara Eder, Fotomontage: Michael Bigus

In der IT zählen Security-Vorfälle wie dieser zu den alltäglichen Begebenheiten: Eine Website wurde gehackt, ein Passwort geknackt oder ein Angriff auf eine IT-Infrastruktur gerade noch abgewehrt. Bis zu 70.000 Angriffe täglich verzeichnet allein die Website der Stadt Wien. Aufgrund ihrer enormen Rechenleistung sind Quantencomputer – bislang noch in der Testphase – schon jetzt gefürchtet: digitale Schlüssel, die zwecks passwortloser Verbindung zwischen Netzwerk-Computern ebenso genutzt werden wie beim Online-Banking und in der Kryptografie, können durch diese binnen Minuten dechiffriert werden. Da digitale Schlüssel auf Basis mathematischer Verfahren generiert werden, zählen sie zu den berechenbaren unter den Nummern, ein Computer mit durchschnittlicher Rechenleistung benötigte derzeit dafür jedoch Jahrmillionen.

Offener Umgang statt Handyverbot.

Was streckenweise wie ein Kapitel aus einem Science-Fiction-Roman klingt, betrifft nur einen Teilaspekt des Themas «Sicheres Internet». Sicherheit in diesem Medium ist für den Verein Saferinternet.at vor allem eine Frage des Nutzer_innen-Verhaltens. Kinder, Jugendliche, Eltern und Senior_innen sollten über Risken, Rechte und Möglichkeiten Bescheid wissen, noch ehe sie Opfer von Phishing-Attacken, Online-Betrug oder schlaflosen Nächten infolge von Grusel-Videos oder Cyber-Mobbing werden, erklärt Vereinsgründerin Barbara Buchegger den Ansatz.
Ihre Organisation kann derzeit auf rund 60 Referent_innen zurückgreifen, die in Schulklassen und auf Elternabenden ebenso zugegen sind wie bei IT-Messen und auf einschlägigen Konferenzen. Ergänzt wird das Angebot durch die Zusammenarbeit mit der Notrufnummer Rat auf Draht, die Kinder und Jugendliche bei Cyber-Problemen berät. Sein fünfzehnjähriges Bestehen gefeiert hat Saferinternet.at am diesjährigen Safer Internet Day. Mit Rosa Danner war bei der Fachtagung eine Expertin zugegen, der die Medienerziehung der Jüngsten ein besonderes Anliegen ist.
«Es geht nicht darum, Tablets, iPhones und Handys wegzusperren, sondern darum, einen altersadäquaten Umgang damit zu finden», meint Danner, die bei Elternfortbildungen des Öfteren empfiehlt, das klingelnde Smartphone auch mal in der Tasche zu lassen. Auf diese Weise erfahren Kinder, dass sie und nicht etwa die Geräte Vorrang in der Kommunikation haben. Über Eltern, die das anders handhaben, hat sich das eine oder andere Volksschulkind bei ihr schon beschwert. Von Vätern, die am Spielplatz den Fußball übersehen, ist dabei ebenso die Rede wie von Müttern, die klicken statt zuzuhören. Heute sind Digitalgeräte nahezu omnipräsent, für Kinder werden sie jedoch umso interessanter, wenn die Eltern dafür großes Interesse aufbringen.
Das «Wischen» auf interaktiven Oberflächen ist für Kleinkinder besonders attraktiv, weil dadurch Selbstwirksamkeit erfahren wird – und mit unangemessenen Inhalten kommen sie dabei fast zwangsläufig in Kontakt. Wenn etwa der Vierjährige beim heimlichen Surfen am Smartphone des Großvaters ein Gruselvideo sieht, dann braucht es statt Handyverboten einen offenen Umgang damit. Es macht Sinn, mit dem Kind über den Angst auslösenden Inhalt zu sprechen. Oder sich diesen gleich zeigen zu lassen, um Strategien zur Verarbeitung zu finden.
Dass Kinder in der Schule einschlafen, hat nicht selten mit Heimsuchungen durch den Game Master oder das Monster Momo aus dem Internet zu tun. Bei Ersterem handelt es sich um eine fiktive Figur einer YouTube-Influencerin, die damit Kinder zu Mutproben jenseits der Geisterstunde herausfordert – und mit dem Angst-Lust-Kitzel der Jüngsten ihre Klickzahlen erhöht.

Intimes Gespräch versus Gewalterfahrung.

Internet-Zugänge kann man reglementieren und unangemessene Inhalte durch ­Filter blockieren, aber nur ein kompetentes Kind ist ein sicheres Kind. 2018 haben das SOS-Kinderdorf und Rat auf Draht das Institut für Jugendkulturforschung beauftragt, österreichweit Daten zu sexueller Belästigung und Gewalt bei Kindern und Jugendlichen im Internet zu erheben. Rund ein Drittel aller 11- bis 18-Jährigen haben demnach bereits Erfahrungen mit Gewalt und sexueller Belästigung im Internet gemacht und wünschten sich, darauf besser vorbereitet zu werden. Missbräuchliche Erfahrungen im Netz sind für sie Thema, und über Sexualität im Allgemeinen wären sie schon im Volksschulalter gerne besser informiert gewesen. Je umfassender Kinder und Jugendliche darüber Bescheid wissen, desto eher können sie später zwischen Fitnessvideos mit Genitalnahaufnahme und dem, was sie selbst unter einer lustvollen sexuellen Phantasie verstehen, differenzieren.
Sexualität kennt unterschiedliche Formen, und das Netz ist für viele Heranwachsendende dahingehend auch ein Experimentierfeld. Etwa verschicken einige Jugendliche auch Nacktbilder mit expliziten Details von sich an ihre Partner_innen oder an ihre besten Freund_innen. Nicht alle wissen, dass dies erst ab einem bestimmten Alter erlaubt ist. Nicht immer wird bedacht, dass Fotos, die öffentlich auf soziale Plattformen hochgeladen werden, Jahre später irgendwo anders auftauchen können. Beim Sexting, das mehr als die Hälfte aller jungen Erwachsenen praktiziert, wie eine Umfrage von Saferinternet.at ergeben hat, handelt es sich um eine bildunterstützte Form des Dirty Talk, manchmal als Mutprobe, oft aber auch als Liebesbeweis in ersten Beziehungen. Sofern die an dieser Form der Kommunikation Beteiligten zwischen 14 und 18 Jahren sind und es ein gegenseitiges Einverständnis gibt, ist Sexting zwischen Minderjährigen erlaubt. Kennen Jugendliche sich damit nicht gut genug aus, können sie sich wegen Paragraph 207a strafbar machen, der sich auf die «pornografische Darstellung Minderjähriger» bezieht.
Ein ganz anderer Strafbestand liegt hingegen vor, wenn Erwachsene Kinder und Jugendliche im Netz zwecks sexueller Anbahnung kontaktieren – und rund 14 Prozent aller 11- bis 18-Jährigen haben dies schon erlebt. Das reicht vom sogenannten Cyber-Grooming (Aufforderung, sich vor einer Webcam auszuziehen oder Nacktfotos zu schicken) bis zum Überreden von Treffen außerhalb des Chatrooms. Dass Cyber-Grooming strafbar ist und mit bis zu zwei Jahren Haft geahndet werden kann, weiß nicht einmal die Hälfte aller Jugendlichen. Würden sie Anzeige erstatten, wären sie im Recht. Viele von ihnen fürchten jedoch, dass intimes Material publik gemacht und sie damit erpresst werden könnten.

Digitale Ethik.

Egal wie man die dazugehörigen Inhalte findet – die beliebtesten YouTuber_innen kennt man bei Saferinternet.at ebenso wie die beliebtesten Apps, darunter Snapchat, Instagram und TikTok. Auch um zu wissen, was Kinder und Jugendliche in welcher Weise nutzen. Für die verschiedenen Zielgruppen – Jugendliche, Eltern, Lehrer_innen, Sozialarbeiter_innen – werden Materialien bereitgestellt und Workshops angeboten, um etwa über das Recht am eignen Bild und die Möglichkeit, den Kreis der Adressant_innen zu beschränken und Weiteres aufzuklären. Ein Recht auf Vergessen kennt das Internet allerdings nicht. Big Data und Datensouveränität sind deshalb schon bei den Jüngsten Thema, wie Rosa Danner erzählt: «Bei einem Workshop-Spiel in der Volksschule entwerfen die Kinder Sticker für ein Pickerlheft, und danach bestimmt jede_r, was man damit darf. Ich fordere die Kinder auf, Name, Schuhgröße oder Wohnadresse anzugeben und die meisten sind mit ihren Informationen sehr großzügig. Ein guter Anlass, um die Brücke zu App- Berechtigungen und Big Data zu schlagen. Wer macht die Regeln für eine App, ein Game, und was wollen die von mir wissen?»
Mit persönlichen Daten sparsam umzugehen und im Internet nicht mehr von sich preiszugeben als nötig, ist auch das erste Gebot einer digitalen Ethik, die ein gutes Zusammenleben im Netz ermöglichen soll. Ob sie in einem ihrer Workshops auch schon mal dazu geraten hätte, einfach nur den Stecker zu ziehen, frage ich Rosa Danner gegen Ende unseres Gesprächs.
Dann fällt mir ein, dass sich das Problem der Dauerberieselung auch anders lösen liesse. Das TV-B-Gone-DIY-Kit von Mitch Altman enthält alle Bauteile für eine Universalfernbedienung, mit der man Fernseher im Umkreis von 15 Metern abdrehen kann. Auf eine ähnliche Lösung für Flatscreens und Tablets bleibt noch zu warten.

Saferinternet.at:

Der Verein stellt Materialien für ­Jugendliche, Eltern, Lehrpersonen, Jugendarbeiter_innen und Senior_innen zu allen Aspekten von Sicherheit im Netz zur Verfügung. Kostenlos zum Download.
saferinternet.at

Rat auf Draht:

Beratung für Kinder, Jugendliche und deren Bezugspersonen, zu allem, was Kinder und Jugendliche betrifft, etwa auch Stalking und Belästigung im Netz. Es gibt Online- und Chatberatung sowie die klassische Telefonberatung, 24 Stunden erreichbar, ohne Vorwahl unter der Notrufnummer 147.
rataufdraht.at

WEISSER RING:

Die Organisation hilft Opfern von Straftaten. Auch Cyber-Straftaten fallen darunter. Kostenloser 24-Stunden-Notruf: 0800 112 112. Eine Broschüre mit Infos zu Gewalt im Netz gegen Frauen und Mädchen steht beim Punkt Publikationen zum Download.
weisser-ring.at

MonA – Mädchenberatungsstelle:

Der MonA-Helpdesk bietet kostenlose und anonyme Online-Beratung für Mädchen, zu allen Themen, die Mädchen beschäftigen.
mona-net.at

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