American Football: Das Spiel mit dem Ei
Ob füllig oder schlank, groß oder klein – im American Football gibt es für jede Statur eine Position. Erst recht bei den Vikings Superseniors, einem Wiener Football-Team, das vor fünf Jahren gegründet wurde und bei dem auch und gerade blutige Anfänger im fortgeschrittenen Alter willkommen sind, fand Wenzel Müller (Text und Fotos) heraus.Am Anfang waren sie bloß Zaungäste. Brachten ihre Kinder zum Football-Training und holten sie später wieder ab. Irgendwann begannen sie, fünf Väter, das Spielgerät, diesen eiförmigen Ball, selbst in die Hand zu nehmen und es sich zuzuschupfen. Das geschah auf der Wiese neben dem Trainingsplatz. Bald genügte ihnen das nicht mehr, sie fingen Feuer und es drängte sie mit Macht aufs Feld.
Im Normalfall treten Söhne in die Fußstapfen ihrer Väter. Hier war es genau umgekehrt. Die Väter nahmen sich ein Beispiel an ihren Kindern. Was die können, das können wir allemal, dachten sie. Und gründeten ihre eigene Football-Mannschaft, die «Vienna Shady Munsters». Das war vor fünf Jahren. Eine Mannschaft, die sich zur einen Hälfte aus blutigen Anfängern im fortgeschrittenen Alter zusammensetzt und zur anderen aus Spielern mit Football-Erfahrung, die allerdings längst den Zenit ihrer Sportlerkarriere überschritten haben. Alle sind nicht mehr die Jüngsten, und alle haben sich eine gewisse Lust am Raufen erhalten.
Dabei besteht das Wesen dieser Sportart vordringlich darin, Raum zu gewinnen, genauer gesagt: die Distanz von 10 Yards (knapp 10 Metern) zu überbrücken, wozu eine Mannschaft vier Versuche hat. Das Ziel lautet, den Ball bis in die gegnerische Endzone zu bringen, was die andere Mannschaft nach Kräften zu verhindern sucht. Dabei darf sie sich etlicher Mittel bedienen, auch solcher, die in anderen Sportarten streng verboten sind. Beispielsweise darf der ballführende Spieler mit Gewalt zu Boden gerissen werden. Sehr vieles ist erlaubt, aber nicht alles. So ist etwa streng untersagt, in das Gesichtsgitter des Gegners zu greifen.
Vienna Vikings – ein klingender Name
20 Jahre, erzählt Peter Prostrednik, habe er Fußball gespielt, auch im Austria Nachwuchs. Bis er sich eines Tages schwer verletzte, und fortan ließ er die Finger vom Sport, zehn Jahre lang. Dann hörte er eines Tages von dieser Mannschaft mit den älteren Footballspielern. Und war sofort begeistert. Eine interessante Herausforderung! Noch einmal einen neuen Sport lernen! Wieder etwas für den eigenen Körper tun! Der PR-Profi trat der Mannschaft bei, die sich inzwischen in «Vikings Superseniors» umbenannt hatte.
Vienna Vikings – ein klingender Name, jedenfalls für den, der sich in der Branche auskennt. Der Wiener Verein ist so etwas wie das Real Madrid im Football. Einer der erfolgreichsten Klubs in Europa. Nur weiß das kaum jemand, denn was sich hierzulande jenseits von Skisport und Fußball tut, das entgeht der allgemeinen Aufmerksamkeit.
Die Superseniors können stolz drauf sein, unter dem Dach des prominenten Vereins Aufnahme gefunden zu haben. Einerseits. Andererseits genießen sie keine besonderen Privilegien. Sie müssen, wie alle anderen Footballer, ihre Mitgliedsbeiträge zahlen und selbst für ihre Ausrüstung aufkommen.
Um es noch einmal zu betonen: Football ist kein Sport für Warmduscher. Da geht es zur Sache. Nicht umsonst spricht man auch von «Kontaktsport» oder «Kollisionssport». Der_die Footballer_in tut gut daran, sich mit Helm und Schulterpolster und weiterem Schutzinventar einzupacken. Mehr noch: Auch das Reglement schreibt diese Einkleidung vor.
In den USA, in der National Football League, spielt ein Profi höchstens drei Jahre, dann ist er körperlich am Ende und kann abtreten. So hart geht es in der österreichischen Liga nicht zu, schon gar nicht in der untersten Klasse, der Division 4, wo sich die Vikings Superseniors tummeln. Zusätzlich ist die Saison auf wenige Wochen im Jahr begrenzt. Gespielt wird nur im Frühjahr – das letzte Heimspiel in der heurigen Meisterschaft werden die Superseniors bereits in Kürze, am 31. Mai, austragen. Und dennoch trainieren sie das ganze Jahr über, drei Mal pro Woche, vor allem Kraft und Ausdauer, um eben Verletzungen und Verschleiß hintan zu halten.
Kraft und Muskeln sind wichtige Ingredienzien in diesem Sport. Doch sie sind nicht alles. Spieler, breit wie Kleiderschränke, tun gerade im Kampf Mann gegen Mann gute Dienste, oder wie der Footballer sagt: in der Offensive Line (die Football-Sprache kennt nur englische Ausdrücke). Daneben braucht es aber auch kleine, wendige Spieler, solche, die es verstehen, Haken schlagend die gegnerischen Reihen zu durchbrechen.
Der älteste Spieler ist 63
Markus Trenker gehört zu ebendieser Spezies. In seiner Jugend, vor rund 25 Jahren, hatte er in Salzburg Football gespielt. Dann eine längere Zäsur, bis er vor fünf Jahren wieder mit dem Sport begann, bei den Vienna Knights. Vor einem Jahr wechselte er zu den Superseniors.
«Das Gute am American Football ist», sagt er, «dass es für jede Statur eine Position gibt. Unser größter Spieler misst 1,95 m, unser kleinster 1,60 m. Der eine ist 160 kg schwer, der andere 80 kg.» Mit anderen Worten: Diese Sportart steht allen offen, ob klein oder groß, schlank oder füllig. Wo sonst sind gerade die Dicken gefragt? Nicht einmal das Alter scheint Grenzen zu setzen, jedenfalls nicht bei den Superseniors – ihr ältester Spieler ist 63.
Ein hohes Maß an taktischer und strategischer Ausrichtung, diese Eigenschaft ist es, die Trenker am American Football vor allem schätzt. Er spricht von «Rasenschach». Wer einem Football-Spiel das erste Mal beiwohnt, wie es bei dem Berichterstatter der Fall war, bei dem Spiel der Vikings Superseniors gegen die Vienna Knights auf der Schmelz (das die Knights mit 70:0 gewannen), wundert sich, dass die Spieler alle Augenblicke zusammenkommen und einen Kreis («Huddle») bilden. Sie tun das, um das weitere Vorgehen abzusprechen und sich für eine der unzähligen taktischen Varianten zu entscheiden. Assistiert werden sie dabei von ihren Trainern – ja, es gibt nicht nur einen am Spielfeldrand, sondern gleich mehrere, alle mit ihrem je eigenen Spezialgebiet (wie es auch mehrere Schiedsrichter gibt).
Bei dem Spiel auf der Schmelz verletzt sich ein Footballer und windet sich am Boden. Sofort gehen die Auswechselspieler, auch der gegnerischen Mannschaft, in die Knie und fangen an zu klatschen. So werden im Football Genesungswünsche gesendet. Eine faire Geste.
Ausschreitungen? Schiedsrichterbeschimpfungen? Getrennte Fanbereiche? Hooligans? Nein, so etwas kennt der Football nicht, sagt Prostrednik. Und tatsächlich: Das Spiel endet, wie es begonnen hat: mit einem herzlichen Abklatschen der beiden Mannschaften.
Info:
www.superseniors.at