Normsturz in der Sozialhilfetun & lassen

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Der Normsturz misst die Festigkeit von Kletterseilen. Fünf Abstürze müssen sie mindestens aushalten, sonst taugt das Seil nicht zum Schutz. Die sozialen Probleme werden größer. Und die schlechte Sozialhilfe kann sie nicht lösen. Sie würde den Normsturz nicht bestehen. Die Krise zeigt, wie wichtig jetzt eine gute Mindestsicherung wäre – statt einer schlechten Sozialhilfe, die Menschen in Existenznöten und Notsituationen nicht trägt.
In Oberösterreich können wir gerade beobachten, wie die neue Sozialhilfe versagt: nämlich darin, Menschen, die ohnehin wenig haben, krisenfest abzusichern. Oberösterreich und Niederösterreich haben das Sozialhilfegesetz als einzige bereits eingeführt. Das oberösterreichische Sozialhilfe-Ausführungsgesetz ist ein für Hilfesuchende schlechtes Gesetz, dessen Auswirkungen mittlerweile im Alltag sichtbar sind: geringere Richtsätze für Erwachsene und Kinder, Anrechnung der Wohnbeihilfe oder eine uneinheitliche Vollzugspraxis der Bezirksverwaltung bei Berechnung des Wohnaufwandes von Haushaltsgemeinschaften. Dies führt dazu, dass Haushalte mit Menschen in Not um mehrere hundert Euro monatlich weniger haben als in der Mindestsicherung. Auffallend an der Sozialhilfe ist zudem, dass sich der Ton in einigen Bezirksbehörden gegenüber Sozialhilfebezieher_innen nochmal verschlechtert hat. So wurde einer Person, die ihre Mutter pflegt, mitgeteilt, sie solle doch «hackeln» gehen, wenn sie mehr Geld brauche.
«Es fühlt sich an, als wolle man meine Familie wegschmeißen», hat es eine Mutter mit humanitärem Bleiberecht in Niederösterreich formuliert. Keine Existenzsicherung, keine Krankenversicherung. Unter den Betroffenen finden sich auch viele schwerkranke und nicht arbeitsfähige Personen, die keine Möglichkeit haben, einer Arbeit nachzugehen und auch nicht von Verwandten oder Freunden mitunterstützt werden. Zudem wird das Soziahilfe-Grundsatzgesetz so verstanden, dass die Länder die so wichtigen «Hilfen in besonderen Lebenslagen» einstellen. Damit fällt jede Unterstützung weg.
Wohnen bleibt in der Sozialhilfe überhaupt das Negativthema. Denn nun wird auch die Wohnbeihilfe in Oberösterreich auf die Leistungen der Sozialhilfe angerechnet, also abgezogen. Und die Zuverdienstgrenze wurde mit dem Sozialhilfe-Ausführungsgesetz praktisch abgeschafft. Das bedeutet, dass bei Sozialhilfeempfänger_innen, die tageweise etwa im Trödlerladen der Arge für Obdachlose mitarbeiten, das Einkommen zur Gänze vom Sozialamt kassiert wird.
Die Abschaffung der Mindestsicherung und das in zwei Bundesländern bereits umgesetzte Sozialhilfe­gesetz werden uns angesichts der Krise noch große Probleme machen. Das neue Gesetz verschärft Armutslagen, degradiert Betroffene zu Bittsteller_innen und eröffnet neue Hürden und Unsicherheiten für Menschen in schwierigen Lebenssituationen. Deren Lebensbedingungen waren schon bisher von feuchten, schimmligen Wohnungen geprägt, wie wird das jetzt weitergehen? Besonders giftig für Hilfesuchende ist der Wohndeckel. Auch mangelnde Soforthilfe, fehlende Heilbehelfe, Barrieren für psychisch Kranke und Kürzungen bei Haushalten volljähriger Personen mit Behinderung tragen nicht, wenn alles rundum zusammenbricht.
Instrumente der Mindest- oder Grundsicherung sind für Krisen gemacht. Das ist ihre Bewährungsprobe. Wenn ein Regenschirm nicht den Regen abhält, wenn das Kletterseil nicht den Sturz abfängt, wenn der Bretterboden nicht stabil vor dem dunklen Keller schützt – wenn also Sozialhilfe gerade in der Krise nichts taugt, dann hat sie ihre Aufgabe verfehlt. 

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