Nostalgie und Ostalgie in der Brigittenauvorstadt

Über fast ein halbes Jahrhundert prägte «der Globus» den Höchstädtplatz.

Nichts weniger als «den Globus» erkundete Karl Weidinger (Text & Fotos) und sprach zu diesem Zwecke mit einem hartgesottenen Regisseur, «Volksbildner» und Zeitzeugen in Personalunion.Kurt Palm, Jahrgang 1955, bezeichnet sich als Volksbildner und fungiert als Zeitzeuge. Er ist ein Jahr älter als «der Globus». Im symbolträchtigen Jahr 1989 gründete er die Theatergruppe «Sparverein Die Unz-Ertrennlichen». «Wir waren auf der Suche nach unüblichen Spielstätten und Aufführungsorten», sagt Palm. Da passte das verwaiste Verlagshaus am Höchstädtplatz sehr gut ins Konzept. «Ich kannte den Globus aus meiner Zeit bei der Kommunistischen Partei. In der Druckerei habe ich schon ein Attwenger-Konzert abgehalten. Wir wollten damals schauen, ob wir die Leute da heraus in den Globus locken konnten.»

Auf Hausnummer 3 wurde 1956, heute würde man sagen, ein Medienhaus eröffnet, das alle Stückerln spielte, von der Redaktion im vierten Stock bis zur Rotationsdruckerpresse im Keller. Die Globus Zeitungs-, Druck- und Verlagsanstalt war ein überdimensioniertes, modernes Flaggschiff, gestaltet nach den Entwürfen von Margarete Schütte-Lihotzky als Teil eines vierköpfigen Teams. Bis zum Staatsvertrag verlief hier die russische Besatzungszone, ab dann herrschte der Globus über den Höchstädtplatz. Hier wurde bis 1990 die kommunistische Tageszeitung «Volksstimme» verlegt, bis 1992 fungierte dieser Ort als Sitz und Hauptquartier der KPÖ mit ihren Teilorganisationen.

Die Zentrale in Wien galt nicht unbedingt als «moskau-hörig». Einigen Intellektuellen gelang eine betont österreichische Linie. So zählt die Pflege des Werks des Lyrikers Theodor Kramer zu den Verdiensten. Im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur wurden bedeutende Autor_innen wie Mira Lobe («Die Omama im Apfelbaum» und «Das kleine Ich bin Ich») oder Karl Bruckner («Die Spatzenelf») im Globus gedruckt und verlegt. Die Druckerei konnte lange Zeit die Verluste der Tageszeitung wettmachen.

«Als wir Mitte der 1990er-Jahre hier im Schütte-Lihotzky-Saal mit unserer ‹Netten Leit Show› begonnen haben, war das Gebäude schon geräumt», sagt Palm. Der Moderator Hermes Phettberg stand von Anfang an fest. «Für mich war das eine Theaterproduktion. Ich wollte unbedingt, dass Theaterelemente reinkommen. Das war nicht wiederholbar, das war einmalig und nicht in irgendeiner Form wiederherstellbar. Und der Schütte-Lihotzky-Saal, der ehemalige Speisesaal, war hervorragend geeignet. Wir konnten auf die gut funktionierende Infrastruktur zurückgreifen. Und viele Dinge haben wir auch gefunden und in die Show eingebaut.»

Talkmaster Hermes Phettberg begrüßte drei Gäste. Am Ende jeder Show erhielt er einen Brief seines Regisseurs. Notfalls läutete das rote Telefon. «Es gab dieses rote Kindertelefon, was natürlich gut hineingepasst hat in das Haus des Zentralkomitees, weil da waren ja früher überall rote Telefone.» Und das ZK residierte – wie auf Wolke 7 – im 7. Stock.

Von den 24 Theateraufführungen von «Phettbergs Nette Leit Show» schafften es 19 auch in die «ORF-Kunststücke» und wurden damit auch zum Inhalt einer Diplomarbeit von Camilla Reimitz mit dem Titel «Eine Anti-Talkshow als gelungener Versuch der Medien- und Gesellschaftskritik». Der Rest ist ebenso Fernseh-, wie auch Kulturgeschichte. Wie auch das Verlagshaus am Höchstädtplatz.

Der Globus-Verlag teilte als Parteiverlag das Schicksal der KPÖ, den Weg in die politische Bedeutungslosigkeit. Heute wird das Gebäude als Schulbau genützt und blickt einer ungewissen Zukunft entgegen. Ringsum lauern glitzernde Wohn- und Bürotürme. Vor der ehemaligen Institution auf dem Höchstädtplatz steht ein Mahnmal des Bildhauers Alfred Hrdlicka. Es ist ausdrücklich den Opfern und Kämpfern gegen faschistische Gewaltherrschaft, Rassismus und Krieg gewidmet. In weiser Voraussicht wurde das Monument 1988 errichtet. Ein Jahr vor den bekannten Folgen des Wende- und Schicksalsjahres 1989.

Info:

Karl Weidinger porträtierte für die Hörbuchreihe «Stadtflanerien» die Brigittenau und gestaltete eine CD mit Interviews und Inhalten zum 20. Bezirk.