Nur bio ist zu wenig!tun & lassen

Wird das heilige Wiener Schnitzel behübscht?

Mahlzeit! Mehr als 50 Kilo Schweinefleisch verspeisen die Wiener_innen pro Jahr. Ernst Halbmayr über Produktionsbedingungen, neue Marketingstrategien und Widersprüche.

Illu: Much

Großen Publikumserfolg erzielte die Doku «Bauer unser». Weit mehr als 70.000 ­­Besucher_innen haben bis dato den Film über den Ist-Zustand von Teilen österreichischer Lebensmittelproduktion gesehen. Die von Bauern und Bäuerinnen erlebte Krisensituation ist mitten in der Gesellschaft angekommen. Erschreckende Bilder für viele Konsumenten_innen, die zeigen, dass brutale Formen von Tierhaltung gesetzlichen Normen entsprechen: Der Schweinemäster mit 1.400 Mastplätzen produziert für das AMA-Gütesiegel, und der Legehennenbetrieb hält nach Bodenhaltungsrichtlinien 60.000 Hennen in einer Halle. Knallhart auch die Darstellung der Milchbranche: Frustration und Geldnot bei den bäuerlichen Betrieben, während der Geschäftsführer der größten Molkerei – natürlich eine Genossenschaft – Bilder des Kalten ­Krieges bemüht und den Bauern ausrichtet: «Sie können mit ihren Kühen reden, der Konsument will nur billig kaufen und der freie Markt ist nun einmal hart – wir hatten ja einige 100 Kilometer entfernt das andere System, und wir wissen ja, wie das geendet hat.» Der Verbandspräsidenten aller österreichischen Molkereien erklärt dann den Teufelskreis der ständig steigenden Produktion und der sinkenden Preise.

Der Landwirtschaftsminister stellt fest, wir seien jetzt am freien Markt angekommen, der sei manchmal hart, aber die Bauern und Bäuerinnen sollten mutig sein und trotz Krise investieren.

Wer solche Vertreter_innen hat, braucht keine Feinde mehr.

Ethischer Gewinn

Die bäuerliche Interessensvertretung versagt. Jetzt kann man es – trotz aller Widersprüchlichkeit – als Fortschritt sehen, dass nun die Handelsketten direkt auf die Haltungsbedingungen der Nutztierhaltung Einfluss nehmen. Das neue Projekt des Diskonters Hofer «Fair Hof» ist aus ethischer Sicht ein Gewinn. Wenn Tiere, wie versprochen, doppelt so viel Platz im Stall haben, Freilaufmöglichkeit und einen Strohbereich, gentechnikfrei gefüttert werden und Soja tatsächlich aus Europa kommt, ist das ein großer Fortschritt für Tiere und Konsument_innen, die sich höhere Produktionsstandards wünschen.

Jedoch: Dies gilt nur, wenn die versprochene Fairness auch den Landwirt_innen gegenüber eingehalten wird; dann wäre das ein Ansatz, die Landwirtschaft nachhaltig zu verändern.

Der REWE-Konzern nennt als ein Ziel für seine Bio-Marke «Ja! Natürlich» ausschließliche Freilandhaltung. In einem Kulinarik-Magazin wurde eine mehrseitige Werbeeinschaltung platziert – auf der ersten Seite eine Kuh, die in die offene Landschaft schaut. Überschrift: «Einmal werden alle Tiere so frei sein».

Dieses Bild zeigt exemplarisch einen Widerspruch: die Weichenstellungen der Verantwortlichen im Landwirtschaftsbereich (Landwirtschaftsministerium, Kammern, Genossenschaften) entsprechen nicht den Erwartungen der Konsument_innen und Handelsketten.

Fairness

Wir von der IG-Milch waren die ersten, die «Fairness» zum Thema machten, und es ist uns gelungen, mit Spar eine der großen Handelsketten von Anfang an zu überzeugen, eine Partnerschaft mit Milchbäuerinnen und -bauern einzugehen. Diese Zusammenarbeit funktioniert seit zehn Jahren, und die Marke «A faire Milch» ist von Österreich aus in mehreren Ländern Europas in ähnlicher Form umgesetzt worden. Von Anfang an wurde das Projekt jedoch von Bauernbund, Landwirtschaftskammern und Molkereivertreter_innen bekämpft und zeigt das absurde Verhältnis zwischen Genossenschaften und Milchproduzent_innen, aber auch zwischen der gesetzlichen und politischen Interessensvertretung und den Landwirt_innen auf.

Die IG-Milch hat am Beginn ihrer Arbeit vor Handelsketten gegen Preisaktionen demonstriert und sah hier die Hauptverantwortung für den Niedergang der bäuerlichen Landwirtschaft. Nach 14 Jahren Engagement in der IG-Milch, zehn Jahren Aktivitäten mit «A faire Milch» und einem missglückten Versuch, Rohmilch auf Bauernseite zu bündeln, um aus dem Würgegriff der Genossenschaften zu entkommen, sehen wir die Verantwortlichen der Handelsketten als wichtige Partner_innen, die notwendigen Veränderungen in der Landwirtschaft anzustoßen und umzusetzen. Dazu müssen wir einen offenen und ehrlichen Dialog auf Augenhöhe führen, um gemeinsam mit Vertreter_innen der Zivilgesellschaft und Konsument_innenschaft eine zukunftsfähige Lebensmittelproduktion umzusetzen. Wenn es gelingt, den Unterschied zwischen schönen Werbebildern und tatsächlichen Bedingungen sowie den Nachteilen der derzeitigen Form der Lebensmittelproduktion verständlich und nachvollziehbar aufzuzeigen, bin ich überzeugt, dass wir eine gemeinwohl­orientierte Lebensmittelproduktion verwirklichen können.

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