Gschäftl-Report (9. Folge)
Im Münzen-Zentrum in der Auerspergstraße 5 werden seit über 30
Jahren Münzen gehandelt. Auch wenn die Sammelleidenschaft mancher
Numismatiker_innen ungebrochen scheint, sind die Boom-Jahre des Münzhandels
vorbei. Von Arthur Fürnhammer (Text) und Mario Lang (Fotos)
Bild: Bei Münzen gibt es wenigstens noch eine Wertsteigerung durchs Metall, dagegen sind Briefmarken «tot». Gold hätte ewig Bestand, heißt es gerne in Verschwörungstheorien.
Der Eintrag auf der einschlägigen Onlineplattform zum Thema «Sammeln» klingt durchaus positiv: «Münzen faszinieren seit jeher die Menschen. Seit der ersten Verwendung von Münzgeld werden Münzen gesammelt, um einerseits zu sparen und für größere Investitionen gewappnet zu sein, andererseits um sich an der Pracht der damals schon sehr facettenreichen Prägungen zu erfreuen. Die Geschichte des Münzensammelns ist also schon beinahe so alt wie die sesshaft gewordene Menschheit selbst.» Doch die Geschichte hat ein Ablaufdatum, der Eindruck täuscht. Es gibt nichts zu beschönigen, weiß auch Frau Kovacic, die Geschäftsführerin des Münzen-Zentrums in der Auerspergstraße 5: «Der Münzhandel stirbt.» Der Münzhandel sterbe vor allem deshalb, «weil die Menschen nicht mehr sammeln», so Kovacic. Das fange schon bei den Kindern an. Das Sammeln von Briefmarken und Münzen war vor ein paar Jahrzehnten unter Kindern noch weit verbreitet. Ein Kind, das heutzutage Briefmarken sammelt, gilt jedoch als Außenseiter, um nicht zu sagen: als Freak. Den meisten Kindern fehlt heutzutage eine fürs Sammeln unabdingbare Eigenschaft, die Geduld. Frau Kovacic: «Zum Sammeln muss man sitzen können.» Stattdessen hat sich mittlerweile die Taktzahl der gewünschten Dopaminausschüsse erhöht. Ab und zu eine Münze von der Mizzi-Tant geschenkt zu bekommen, reicht nicht mehr. Gesammelt werden heute Likes, und die nicht nur im Sitzen, sondern immer und überall. Zwar gebe es auch heute noch Großeltern, die Münzen schenken würden, doch das seien rare Ausnahmen. Frau Kovacic weiß, wovon sie spricht. Sie hat selbst zwei Enkerl, und die hätten mit Münzen rein gar nichts am Hut. Kovacic: «Die Großeltern, die früher Münzen geschenkt haben, sind tot. Heute kommen die Enkeln und verkaufen.»
Schlechte Münzen.
Doch nicht alles, was jahrelang gesammelt wurde und heute verkauft wird, hat auch einen Wert. Ein Kunde betritt das Geschäft, ein Mann in seinen 50ern in Begleitung seiner Frau. Der Mann sagt: «Was mache ich mit so was?» und hält Frau Kovacic eine Sammlung von in Plastik verschweißten 2-Euro-Gedenkmünzen hin. Kovacic: «Das ist ganz was Schlechtes. Das ist gar nichts wert. Die Chance, dass diese ein Sammler will, ist sehr gering. Haben Sie kein Kind in der Familie?» Der Kunde: «Kinder hab ich schon, aber die sind über 30.» «30 ist zu alt, außer die kriegen dann selber Kinder. Die Kleineren sind vielleicht interessiert an Sondermünzen. Es ist halt leider gar nichts, wir kaufen es nicht.» Der Mann erwähnt auch noch, dass er zuhause einen Kasten voll mit Ersttags-Briefmarken hätte. Doch wie er erfährt, sind auch diese nichts mehr wert. Unverrichteter Dinge verlässt das Paar das Münzen-Zentrum.
Briefmarken gehen heute sogar noch schlechter als Münzen. «Briefmarken sind tot», sagt Frau Kovacic. Bei den Münzen hätte man immerhin noch die Wertsteigerung durch das Metall. Dabei standen sowohl Münzen als auch Briefmarken am Anfang der Geschichte des Münzen-Zentrums. 1972 gründete Dkfm. Theobald Kovacic zuerst eine Immobilienfirma namens theo-real. Kovacic war begeisterter Münzen- und Briefmarkensammler und besaß eine Sammlung österreichischer Silbergedenkmünzen. Österreichische Münzen waren in Deutschland ab 1975 ein beliebtes Sammelobjekt, und deutsche Firmen begannen im großen Stil einzukaufen. Da der Wert der Münzen stieg, entschloss sich Theobald Kovacic, seine Sammlung, die er bereits als Kind begonnen hatte, zu verkaufen. Er setzte sich in sein Auto und fuhr nach München, wo ihm ein Händler anbot, noch mehr Münzen zu kaufen. Kovacic besorgte sich einen Gewerbeschein für den Einzel- und Großhandel mit Münzen, Medaillen, Briefmarken und Uhren. Und so begann die Geschichte des Münzen-Zentrums. Viele Kund_innen boten neben ihren Silbermünzen auch ihre anderen Schätze an, und bald besaß das Münzen-Zentrum ein reichhaltiges Sortiment verschiedenster Sammlermünzen. Viele junge Sammler_innen machten es Herrn Kovacic damals gleich. Die Branche boomte. Wer sich auskannte, über eine gute Sammlung, das nötige Know-how und ein paar gute Kontakte verfügte, machte sich selbständig. Sieben sehr große Münzhändler_innen und viele kleine, ein paar in jedem Bezirk, gab es damals in Wien. Heute kann man alle Wiener Münzhändler_innen an einer Hand abzählen.
Wüste Verschwörungstheorien.
Das Münzen-Zentrum beschäftigte zu Höchstzeiten zehn Mitarbeiter_innen. Heute sind noch drei Teilzeitmitarbeiter_innen angestellt. Der Chef ist mittlerweile in Pension, aber nach wie vor involviert. Seine Gattin ist es, die zu den Öffnungszeiten (Mo-Do: 9-17 Uhr) hinter der Budel steht. Dabei könnte auch sie längst in Pension sein. Mit 71 ist sie nur ein Jahr jünger als der Firmengründer.
Im Münzgeschäft zu arbeiten war ohnehin nie Teil ihres Lebensplans. Sie hat Russisch und Englisch auf Dolmetsch studiert. Der notwendige einjährige Russlandaufenthalt kam für sie aber nicht in Frage, da sie damals schon ihren Mann kennengelernt hatte und nicht so lange von ihm getrennt sein wollte. Und so war sie von Anfang an die rechte Hand bei den Geschäften ihres Mannes. Eine Leidenschaft sollte sie für den Münzhandel nie entwickeln. Aber es sei abwechslungsreich und spannend, vor allem dank der laufenden gesetzlichen Änderungen in der Branche. Diese hätten zwar nicht immer Verbesserungen gebracht, wie zuletzt die vom ehemaligen Finanzminister Schelling durchgesetzte Anhebung des Steuersatzes auf Silbermünzen von zehn auf zwanzig Prozent. Aber dadurch sei es zumindest über die Jahre nie langweilig gewesen.
Einig ist sich das Ehepaar, dass sie das Geschäft mit den Münzen in absehbarer Zeit beenden wollen. Nur das Wie und Wann ist unklar. Frau Kovacic: «Ich bin seit 13 Jahren dabei, das Geschäft zu reduzieren.» Doch der Versuch, das Geschäft abzubauen, gleicht einem Paradoxon. Auch wenn man die Bestände langfristig verringern will, darf doch das laufende Geschäft nicht gefährdet werden. Und dazu gehört es auch, Sammlungen zu komplettieren und weiterhin diverse Kontakte zu pflegen. Und so wundert es nicht, dass Frau Kovacic das Gefühl hat, der Münzenbestand werde bei jeder Inventur nicht weniger, sondern mehr.
Das Aufhören ist auch deshalb schwierig, weil man Verantwortung für Mitarbeiter_innen hat. Und dann gibt es noch die Stammkund_innen, die zu Frau Kovacic über die Jahre eine enge Bindung aufgebaut haben. Viele kommen nicht nur aus rein numismatischen Beweggründen. Frau Kovacic: «Statt dass sie zum Psychiater gehen, kaufen sie sich bei mir eine Münze – wenn ich Glück hab.» Frau Kovacic weiß daher sämtliche Wehwehchen ihrer Kunden, weiß alles, von der politischen Einstellung bis zum Krankheitsbild. Und hört dabei die wüstesten Verschwörungstheorien. Nicht wenige ihrer Kunden seien etwa davon überzeugt, dass es die Währung im herkömmlichen Sinn nicht mehr lange geben wird. Diese horten daher Gold, denn Gold hätte ewig Bestand.
Spaß im Münzen-Zentrum.
Viele der Stammkund_innen sind sogenannte Österreich-Abonnenten. Circa zehn Mal pro Jahr erscheinen neue österreichische Münzen. Anstatt sich bei der Münze Österreich anzustellen, was für die zumeist älteren Herrschaften mühsam und beschwerlich wäre, holen sich diese die Münzen einmal pro Monat im Münzen-Zentrum ab. Ein solcher Abo-Kunde ist auch Herr Blaha, der heute Vormittag das Münzen-Zentrum besucht hat. Herr Blaha war aber heute da, obwohl es gar keine neue Österreich-Münze abzuholen gab. Frau Kovacic: «Er ist nur so gekommen. Weil ihm fad war.» Der 80-Jährige setzt sich üblicherweise an den kleinen Tisch, den es in dem nicht allzu großen Verkaufsraum gibt, beginnt in den dort herumliegenden mit losen Münzen vollgefüllten Behältern zu kramen und plaudert währenddessen mit Frau Kovacic. «Er bleibt dann so lange da, wie es ihm Spaß macht.»
Die soziale Funktion des Münzgeschäfts sei nicht zu unterschätzen, sagt Frau Kovacic. Sie hatte sogar einmal die Idee, dem Geschäftslokal ein kleines Kaffeehaus anzugliedern. Ein ganz kleines nur, mit ein paar Tischen, wo die Kund_innen mehr Platz gehabt hätten, zwanglos in den Beständen zu suchen. Der Plan hätte auch funktioniert, wenn sie das Geschäftslokal nebenan bekommen hätten. Letztendlich sei aber alles anders gekommen und aus Wiens erstem Münzcafé wurde doch nichts.