O-Töne begleitend zum (Foto-)Projekt «Häuslbauer» (letzte Folge)vorstadt

Alfred B.

Der Fotograf und Sozialarbeiter Simon van Hal holte obdachlose Menschen für seine Fotoserie «Häuslbauer» nicht nur vor die Kamera, sondern auch vor das Mikrofon.

Wo sind Sie aufgewachsen?

In Gutenstein im Haus von meinem Großvater mütterlicherseits und von meinen Eltern. Dort gab es den Waldhof, ein ziemlich großes Anwesen. Hinten sind eine Art Villen gestanden, wo die Großeltern gewohnt haben und für ihren Hausmeister hatten sie sogar ein eigenes Stöckl. Vorne sind meine Eltern in einem Wohnhaus mit acht Wohnungen gewesen und hinten hat sich der Wald hinauf auf die Pichlbauerhöhe gezogen. Achteinhalb Hektar Wald haben dazu gehört und unten ist auch noch ein Garten, nein, eher ein Park mit mehr als zweieinhalb Hektar gewesen.

Wie ist es dazu gekommen, dass Sie zur Legion gegangen sind?

Durch die Blödheit meiner Mutter und durch die maßlose Gier meiner Schwester, die einfach nicht genug kriegen konnte. Sie wird sich auch noch aus lauter Gier selbst auffressen. Es ist zum Streit gekommen, und ich habe entnervt gesagt, streitet alleine, ich schleich‘ mich und hoffe, wenn ich in fünf Jahren zurückkomme, werdet ihr mit dem Streiten fertig sein. Ich bin dann nach Wien gefahren und gleich weiter nach Straßburg, weil mir ein Freund gesagt hatte, dass ich mich dort zur Fremdenlegion melden könne.

Zu welchem Einsatz sind sie gekommen?

Weil ich eine gute militärische Ausbildung hatte, bin ich zu den Kampftruppen, runter nach Dschibuti gesandt worden.

Wie war es dort? Man muss sich erst einmal an den riesigen Temperaturunterschied zwischen Nacht und Mittagshitze gewöhnen. Wir haben unter Lastwagen geschlafen und hatten beim Aufstehen Raureif auf den Schlafsäcken.

Wie lange sind Sie im Krieg gewesen?

Fünf Jahre.

Sie werden viel Schlimmes gesehen haben?

Jaja, wenn der Kampf vorüber war, kam es zur Begehung, wo auch ein Arzt dabei gewesen ist. Wenn dieser meinte, der Verwundete sei nicht mehr transportfähig – dann kommt es, so blöd es auch klingt, zu einer sehr menschlichen Angelegenheit, was man dann machen muss, sonst wird der Verwundete bei lebendigem Leibe von Termiten aufgefressen.

Ist das der Gnadenschuss?

Ja.

Wie war es, als Sie wieder zuhause angekommen sind?

Naja, viel Fragerei. Das Schönste war die Begrüßung durch meinen Hund Jerry. Irgendwer hat aber bei den Kieberern blöd seine Goschn aufreißen müssen, dass ich gerade von der Legion zurückgekommen sei. Eines Tages ist ein amtlicher Schrieb von der BH Wiener Neustadt gekommen, dass ich mich sofort mit allen Dokumenten einfinden müsse, da sie ungültig gemacht werden würden. – Das war es dann.

Warum wurde das gemacht?

Weil alle, die in einer fremden Armee gedient haben, die Staatsbürgerschaft verlieren.

Wann sind Sie obdachlos geworden?

Die Streitereien in der Familie hatten noch nicht ganz aufgehört gehabt, also sagte ich: ‹Leckt’s mich am Arsch!› So bin ich auf die Straße gekommen.

Wie lange sind sie schon auf der Straße?

Ungefähr 16 Jahre, aber zwischendurch – das war das Beste – bekomme ich vom Verteidigungsministerium ein Schreiben: ‹Wachtmeister B., Sie haben sich einzufinden in der Heeres- und Nahkampfschule in Wiener Neustadt […]›. Das hieß wieder Gwandl anziehen, aber das österreichische. Ich habe mich also zurückgemeldet und erhielt einen Einrücktermin in die Seetaler Alpen …

Info:

24.4–28.6.2015 Fotogalerie Gmünd (Kärnten)

http://simon-vanhal.com