Die so genannte «Pflicht zur Objektivität» gehört vor allem zur Jobbeschreibung von zwei Berufsgruppen: Richter_innen und Journalist_innen.
Journalist_innen reflektieren ihre Rolle immer wieder, betonen wie heikel und schwierig es sei, ein ausgewogenes Bild zu liefern, damit die Bürger_innen sich ihre Meinung selbst bilden können. Das ist allerdings reine Theorie. Der Geruch von Einseitigkeit und Hetze in der Presse ist jetzt wieder einmal durch eine Studie belegt worden. Ironischerweise im Land der Toleranz – der Schweiz – ist die Berichterstattung unausgewogener als in Deutschland oder in Frankreich. Für die Schweizer Studie wurden insgesamt 297 Artikel, geschrieben von 147 Redakteur_innen in einem Zeitraum von fünf Jahren untersucht – allesamt zum Thema Roma. Das Ergebnis: Die Texte waren überaus negativ und geprägt von Vorurteilen. In den Medien kennt man ausschließlich das Bild armer, wilder, zur Not auch gewalttätiger Menschen, die in «schmarotzender» Form (betteln, stehlen), ihren «Lebensunterhalt» bestreiten. Im schlimmsten Fall organisiert in einer Art von Mafia. Außerdem schlagen sie ihre Frauen, die wiederum ihre Kinder nicht in die Schule schicken.
Und das bringt mich nun zur zweiten Berufsgruppe, die eine gewisse Neigung zur Objektivität haben sollte: Richter_innen.
Auch Richter_innen lesen von «mafiös organisierten Zigeuner-Banden», die «aggressiv» Passant_innen «angreifen». (Ja. So liest sich das heute eben, wenn ein osteuropäisches Elternpaar mit Kind beim Betteln in der Fußgängerzone erwischt wird.)
Tatsache ist: Wer nicht ins Schema passt, wird härter bestraft. Klingt einfach. Vereinfacht. Und das ist es auch. So wie das Bild, das von Minderheiten in den Medien gezeigt wird. Es ist ja auch wirklich nicht die Aufgabe der Journalist_innen, ordentlich zu recherchieren. Die müssen heute für Auflage und Quote sorgen. Und Justitia war niemals blind; aber so scharf wie heute hat sie noch nie hingesehen.
Gilda Horvath
arbeitet in der ORF-Minderheiten-Redaktion