Obmann und Ordnervorstadt

Wiens Fußballplätze (24): Sportanlage Eibesbrunnergasse

Klassenerhalt geschafft. Der Obmann des Wiener Traditionsklubs Margaretner AC, Georg Richter, kann aufatmen. Dabei wäre ein Abstieg aus der Oberliga A auch kein Beinbruch gewesen, wie er Wenzel Müller (Text und Fotos) erzählte.

Ein Platzderby. Ja, so etwas gibt es. In diesem Fall treten zwei Mannschaften gegeneinander an, die auf demselben (und nicht nur gleichen) Sportplatz zu Hause sind. So war es zwei Runden vor Saisonschluss in der Oberliga A: der Margaretner AC empfing den SC Gradišće, beide Untermieter auf der Sportanlage in der Eibesbrunnergasse.

Ein schönes und großzügiges Gelände, im Besitz der Gemeinde Wien. Hier wird noch auf Naturrasen gespielt, inzwischen leider eine Seltenheit in Wien. Ringsum Bäume und Sträucher, eine kleine grüne Oase in Wien-Favoriten.

Ein sonniger Mittag.

Das schöne Wetter kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es an diesem Tag um einiges geht, nämlich um nicht weniger als den Abstieg. Der Ball liegt beim SC Gradišće, der muss unbedingt gewinnen, möchte er Chancen auf den Klassenerhalt wahren. Den Margaretnern dagegen genügt schon ein Unentschieden.

Spannung liegt also in der Luft. Spannung, die sich 30, 40 Zuschauer_innen nicht entgehen lassen wollen. Ein Teil von ihnen macht es sich im Schatten unter den Bäumen bequem, ein anderer auf den längs des Spielfeldes in zwei Reihen angeordneten Schalensitzen, in praller Sonne.

Georg Richter hat sich eine leuchtend rote Weste übergezogen, er macht an diesem Tag Ordnerdienst. Bart, Turnschuhe, Jeans: Der Enddreißiger unterscheidet sich kaum von den Spielern. Ist jedoch der Obmann des Vereins. Ein Obmann, der sich auch für niedere Dienste nicht zu schade ist.

«Bevor ich mich ans Telefon setze und zehn Leute hintereinander frage, ob einer als Ordner einspringen kann, mache ich die Arbeit eben selbst. Ist einfacher so», sagt er und lacht. Ja, heute seien alle etwas nervös, die Spieler, der Trainer und er selbst auch. Innerlich mag es in ihm rumoren, doch anzumerken ist ihm dies nicht. Richter wirkt entspannt, freundlich, findet auch immer wieder Zeit, Zuschauer_innen mit Handschlag zu begrüßen.

Die Disco-Abende sind weggebrochen.

Der SC Gradišće macht, wie zu erwarten war, Druck. Doch das Spiel wird nie gehässig, auch die Zuschauer_innen bleiben friedlich. Man muss allerdings immer auf der Hut sein, weiß Richter aus Erfahrung. Denn der Friede ist ein höchst fragiler. Hier eine falsche Schiedsrichterentscheidung, dort etwas zu viel Alkohol, und schon kann plötzlich ein Zuschauer, wie von der Tarantel gestochen und die Gurgel des Schiris starr im Blick, auf den Platz stürmen. Alles schon da gewesen, sagt Richter. Fußball ist eben Leidenschaft, auch in diesem Amateurbereich. Bisher sei es ihm allerdings stets gelungen, Schlimmeres zu verhindern. Noch nie musste die Polizei gerufen werden, und noch nie setzte es eine Ordnungsstrafe des Verbands.

0:0 zur Pause. Alles läuft nach Plan, jedenfalls aus Sicht der Margaretner. Letzte Saison waren sie aufgestiegen, jetzt kämpfen sie um den Klassenerhalt. Aus sportlicher Sicht, sagt Reiter, wäre ein Abstieg natürlich eine große Enttäuschung, aus geschäftlicher hingegen alles andere als ein Beinbruch. Denn eine Klasse weiter unten seien die laufenden Kosten niedriger, schon allein der Schiedsrichter koste da weniger.

Der Obmann eines Vereins trägt große Verantwortung. Monat für Monat muss die Platzmiete gezahlt werden. Gut, keiner der Spieler verdient hier etwas, das ist ein Grundsatz des Vereins, der Amateurgedanke wird hochgehalten, nur der Trainer bekommt ein Entgelt. Trotzdem fallen im Jahr Ausgaben in Höhe von ungefähr 15.000 Euro an. Und wie Einnahmen lukrieren, wenn die Zuschauer_innen freien Eintritt zu den Spielen haben und Sponsor_innen rar sind? Man holt Geld mit Tombola rein. Und mit Grillfesten. Früher veranstaltete man auch zwei Mal im Jahr Disco-Abende in einem Pfarrheim, doch diese Einnahmequelle ist weggebrochen, seit es beim letzten Mal etwas lauter geworden war und Anrainer_innen sich beschwert hatten. Und so bleibt dem Obmann nichts anderes übrig, als allfällige monetäre Löcher aus eigener Tasche zu stopfen.

Wieso tut Richter sich dies an? Wieso opfert er so viel Zeit (und auch Geld) für den Verein? Vor vier Jahren, sagt er, war eine echte Notlage. Der bisherige Obmann, Dieter Lautner, legte sein Amt nieder. 13 Jahre lang hatte er es ausgeübt, war in dieser Zeit zudem Trainer und Spieler in Personalunion. Dann konnte und wollte er nicht mehr. Niemand fand sich bereit, die Nachfolge anzutreten. Das Ende von einem der ältesten Wiener Vereine drohte. Das darf nicht sein, dachte sich Richter. Schon als Sechsjähriger war er dem Verein beigetreten und blieb ihm fortan treu, als Torwart und als Stürmer, in diesen Jahren bekleidete er so gut wie alle Positionen. Und so meldete sich Richter schließlich für den Posten. Erfahrung hatte er keine. Doch das sei vielleicht gar nicht schlecht. Auch in der elterlichen Fliesenfirma, die er irgendwann übernehmen wird, habe er sich alles selbst beibringen müssen.

Die letzten Minuten des Spiels. Der SC Gradišće macht ein Tor. Der Schiedsrichter erkennt es allerdings nicht an. Abseits. Nun wird es lauter, auf dem Spielfeld und rundherum. Richter steht auf und entschuldigt sich höflich, er müsse sich nun wieder mehr auf das Spiel und seine Ordnertätigkeit konzentrieren.

Wäschereikosten sparen.

Es bleibt beim 0:0. Der Margaretner AC ist gerettet, so dieses Wort hier angemessen ist. Große Erleichterung. Zuschauer_innen beglückwünschen den Obmann. Viel Zeit hat er nicht, diesen Moment auszukosten. Gleich muss er in die Schiedsrichterkabine, um die Herren Schiedsrichter zu bezahlen und ihnen Getränke zu bringen. Dann weiter zu den eigenen Spielern, zur Gratulation. Aber auch, um, wie nach jedem Spiel, die verschwitzten Dressen einzusammeln. Die nimmt Richter mit nach Hause, wo er sie wäscht. So erspart er dem Verein Wäschereikosten in Höhe von 1000 Euro im Jahr.