Gottfrieds Tagebuch (Juni 2022)
22.4.
Manchmal bekomme ich Sachen vor die Augen, von meiner Brille einmal abgesehen, die werden auch von mehrmaligem Lesen nicht besser. Wie allgemein bekannt sein dürfte, verfügen einige Personen in der hohen Politik über ein sehr tagesaktuelles Verhältnis zur Wahrheit. Außerdem kommt in Zusammenhang mit der immer noch im Hintergrund tätigen Pandemie die 2G-Regel dazu. Das bedeutet im Klartext Geltungssucht und Größenwahn. Ein zusätzlich noch verfügbares 3. G würde ja Gehirn bedeuten, und das vermag ich beim besten Willen nicht annähernd zu erkennen. First Lady lagert indessen auf meinen Asterix-Heften, und da ich dringend Ablenkung brauche, wende ich diese zuerst bei ihr an und verteile Leckerbissen. First Lady ist entzückt.
28.4.
Ich stöbere in meinem Gedächtnis-Palast und hoffe inständig, dort ein wenig Ablenkung von der aktuellen Nachrichtenlage zu finden. In meinen Gedankengängen lungert an jeder Ecke ein Ureinwohner herum und versucht, meine ungeteilte Aufmerksamkeit zu erhaschen. Einer weist mich vehement darauf hin, auf meine schriftlichen Unterlagen zu achten. Angeblich stünde da so einiges geschrieben, das über Tagebuchniveau verfügt. Eine Frage lässt mich nach einer kurzen Prüfung der Notizen einfach nicht mehr los. Wenn ich Fisch mit Stäbchen essen möchte, sind das dann Fisch-Stäbchen? First Lady wirkt ob dieser Thematik leicht irritiert.
12.5.
Mir steht der Sinn nach etwas Obst und Gemüse. Beim einschlägigen Fachhändler angelangt, zeige ich mich dezent überfordert ob des großen Angebots. Ich entscheide mich schlussendlich für Obst mit migrantischem Vegetationshintergrund und bekomme umgehend ein schlechtes Gewissen wegen der katastrophalen CO2-Bilanz meiner Nahrung. Doch ich werde abgelenkt durch einen entfernten Bekannten, also er ist noch da, aber mir nicht näher bekannt. Der Mann in den zweitbesten Jahren setzt mich von dem Umstand in Kenntnis, dass er alleinerziehend in Teilzeit sei. Er teilt sich das Sorge-Recht mit seiner Verflossenen. «Erziehung ist organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.» Mark Twain
19.5.
Seltsame Dinge dringen in meine Gehörgänge ein. So nebenbei begegnen mir wieder vermehrt Hydro-Rhetoriker, da ja nicht mehr überall FFP2-Maske getragen werden muss. Mein heutiger Gesprächspartner wird beinahe von einer Ohnmacht befallen, da ich ihm mitteile, viel Zeit zu haben, da ich Pensionist sei. Laut seiner eigenen Aussage verfalle er bereits in erhöhten Stress, wenn er zu viel Zeit habe. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass irgendetwas ziemlich schiefläuft, wenn sich Menschen über zu viel freie Zeit beschweren. Man könnte vielleicht einfach nur abschalten, und zwar die mobile Buschtrommel zum Beispiel. Oder bei YouTube Smooth Blues Music anhören. Dauert übrigens 8 Stunden das Ganze. Ich kann nur hoffen, dass ich über so viel Zeit verfüge. Eine Befragung von First Lady führt zu keinem brauchbaren Ergebnis. Sie ist entspannt.
